Es klingt ein bisschen paradox: International berühmt wurden die Bücher von Stanislaw Lem erst durch einen Film. «Solaris» von 1972 war Andrei Tarkowskis Leinwand-Adaption des gleichnamigen Lem-Romans.
Bis heute ist «Solaris» das am meisten übersetzte Buch von Stanislaw Lem. Es bekräftigte seinen Ruf als streitbarer wissenschaftlicher Fantast.
Absurd und humorvoll
Stanislaw Lems detailreiche Beschreibungen von astronautischer Technik faszinierten ein junges Lesepublikum: Gerade in den 1960er-Jahren war die Weltraumbegeisterung gross – auch geschürt durch die Mond-Mission der Apollo 11.
Lems Texte waren gleichzeitig verblüffend absurd und humorvoll geschrieben. Für den Autor selbst war das fiktionale Genre nur eine Art Mittel zum Zweck, wie er selbst einmal schrieb: «Als ich die verzweigten Äste des Baums der Naturwissenschaften zum Leitstern wählte, habe ich mich zugleich ungewollt für die sogenannte Science-Fiction als unangenehme Nachbarschaft entschieden.»
Die Gespenster der Vergangenheit
Wie ein roter Faden zieht sich Stanislaw Lems persönliche Erfahrung mit Nationalsozialismus und Stalinismus, mit Terror und Gewalt durch sein Werk. In seinen utopischen Welten fand er eine Art Asyl für die Gespenster der Vergangenheit, wie er erklärte:
«Es war am Anfang die Freude an Fantasie, und dann am Schluss, oder sagen wir in späteren Jahren, habe ich bemerkt, dass es nicht anders geht, dass man über grausame Dinge nicht anders als lachend schreiben kann.»
Schreiben, um zu überleben
Oftmals bleibt einem beim Lesen seiner Texte das Lachen allerdings im Hals stecken. Hinter der Maske des satirischen Genies, das gleichermassen mit verstiegenen Theorien und burlesken Einfällen jongliert, steckt eine pessimistische Grundhaltung.
Zentral und bisher wenig dokumentiert ist Stanislaw Lems Erfahrung mit dem Holocaust, die wahrscheinlich wichtiger für sein Werk ist, als bisher angenommen wurde. In einem Gespräch mit dem Autor Raymond Federman sagte Lem 1978:
«Vielleicht ist die ganze Science-Fiction der Nachkriegszeit tatsächlich immer noch ein Nachleben des Holocaust. Science-Fiction schreiben ist für mich eigentlich Überleben. Anders hätte ich nicht überleben können, wenn ich nicht die Möglichkeit hätte, das in Science-Fiction auszudrücken.»
Ein ambitionierter Versuch
Stanislaw Lem hing immer ein bisschen der Ruf des verhinderten Wissenschaftlers nach. So war es vielleicht war es nur konsequent, dass er 1989 aufhörte, Romane zu schreiben. Als Romanautor hatte er wohl alles gesagt.
Ihn drängte es, wichtigen Fragen der Ökologie, Computertechnologie und Biologie nachzuspüren. Hier knüpft er an sein grosses Traktat «Summa Technologiae» an, das er 1964 veröffentlichte. Das bis heute kaum wahrgenommene Werk ist der ambitionierte Versuch, die technische Zukunft der Menschheit vorauszudenken. Es erweist sich als erstaunlich aktuell.
(Kein) Prophet der Zukunft
Was bei Stanislaw Lem «Phantomatik» hiess, sollte später als «Virtuelle Realität» Wirklichkeit werden. Seine Idee der «Informationszüchtung» könnte man als Prognose des Informationszeitalters deuten.
Doch als Hellseher einer «Welt von Morgen» wollte Stanislaw Lem nie gelten: «Der Modus, mit dem ich operiere, eben diese Satire, Groteske, dient mir dazu, das doch irgendwie schmackhafter zu gestalten, was an sich entsetzlich ist. Ungewollt bin ich zu einem Hellseher geworden. Das war nie gewollt.»