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400 Jahre Molière
Aus Künste im Gespräch vom 13.01.2022. Bild: IMAGO / H. Tschanz-Hofmann
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400 Jahre Molière Vom Hypochonder bis zum Tyrannen: Molière veredelte sie alle

Seine Komödien sind Klassiker, seine Figuren oft Spinner: Bis heute lachen wir über Molières Werke.

Niemand Geringeres als Frankreichs Nationaldichter würde am 15. Januar – so glaubt man – 400 Jahre alt: Jean-Baptiste Poquelin alias Molière. So präsentieren Frankreichs Bühnen den meistgespielten französischen Autor denn auch landauf, landab. Namentlich die Comédie-Française, welche historisch aus Molières Schauspieltruppe hervorgegangen ist.

Die Comédie-Française ist bis heute das einzige französische Nationaltheater mit einem festen Ensemble. Hier am Haus gibt es bis Juli eine «Saison Molière», in der sich anhand seiner Stücke – auch wenig aufgeführter – Molière à fond kennenlernen lässt. Etwa auch in Arbeiten, die kürzere Stücke neu zusammenstellen und darüber sowas wie ein Molière-Biopic entwerfen.

eine Statue von Molière
Legende: Einer der wirkmächtigsten Dramatiker aller Zeiten: Kaum verwunderlich, dass in Paris an der Rue de Richelieu die Statue von Molière zu sehen ist. IMAGO / Photo12

Romandie feiert mit

Aber auch die Schweiz feiert Molière, zumindest die Romandie: Hier gibt es ein grossangelegtes geisteswissenschaftliches Projekt, federführend ist die Universität Lausanne, das dem Lachen mit Molière auf die Spur kommen will.

«Rire avec Molière?» ist durchaus keine trockene Veranstaltung, sondern vielseitige und umfassende Vermittlung. Es gibt spielerische Interventionen in der Öffentlichkeit, eine Reihe von Radiosendungen und eigene Workshops für Schulen. Immer mit der Frage, wie Molière und sein Humor heute dastehen.

Molière geht es nicht um Psychologie

Molières Figuren sind Spinner: krankhaft geizig, kerngesund hypochondrisch, obsessiv devot. Wenn sie in Konflikte geraten, haben sie es sich selber zuzuschreiben: Sie reiten sich in die grössten Schwierigkeiten, weil sie nicht aus ihrer Haut heraus können.

«Das entscheidende bei Molière ist: Es geht nie um Psychologie», sagt der Zürcher Romanist Marco Baschera. Molière komme von der italienischen Commedia dell’arte und von der französischen Farce. Seine Charaktere seien stilisierte Typen. «Ein paar einfache Charaktereigenschaften reichen, um sie zu kennzeichnen. Das hat er sein Leben lang beibehalten», so Baschera.

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Molière: Die Maske und der Körper
aus Reflexe vom 27.10.2014. Bild: Wikimedia / Austriacus
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Wir lachen über Molières Figuren, weil wir wissen, dass es schon irgendwie gut ausgehen wird. Aber was uns dabei kitzelt, ist, dass das Gegenteil auch immer möglich wäre.

Komödie oder Tragödie?

Wenn ein gutsituierter Familienvater einem falschen Guru wie Tartuffe sein ganzes Vermögen überschreibt und am Schluss ohne Dach über dem Kopf dasteht, ist das ja nicht unbedingt lustig. Wir möchten es jedenfalls nicht am eigenen Leib erfahren.

Molière hat ein bestehendes Prinzip zur Vollendung gebracht: Das Prinzip der Commedia dell'arte mit ihren Charaktertypen und der Grundkonstellation vom tyrannischen Vater, der seine Tochter mit jemand anderem verheiraten will, als sie liebt. Was seine Komödien aber bis heute und in alle Zukunft haltbar macht, ist, dass sie geradeso gut Tragödien sein könnten: die unheimliche Ambivalenz, die sie zur Wirkung bringen.

Radio SRF 2 Kultur, Künste im Gespräch, 13.1.2022, 9:05 Uhr

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