Wer hat nicht mit Hanni und Nanni Mitternachtspartys gefeiert? Ist mit Jack, Lucy und Co. im «Tal der Abenteuer» gestrandet? Hat mit den «Fünf Freunden» Schmugglern das Handwerk gelegt oder mit Dolly der Französischlehrerin einen Streich gespielt? Die Liste der Erinnerungen vieler Enid-Blyton-Fans ist schier endlos.
Blytons Bücher sind in den Buchhandlungen nicht mehr der grosse Kassenschlager, aber immer noch gefragt. Vor allem bei erwachsenen LeserInnen, die Enid Blyton als Kinder gelesen haben und sie nun ihrem Nachwuchs ans Herz legen.
Ein «Happy End» muss sein
Man fühlt sich sicher und geborgen, wenn man ein Blyton-Buch liest: Freundschaften haben Bestand, die Schauplätze sind abenteuerlich, aber nicht lebensgefährlich, die Geschichten fesselnd, aber nicht aufwühlend.
Sie erreichen zwar niemals den literarischen Stellenwert der Erzählungen einer Astrid Lindgren oder eines Erich Kästner, aber sie treffen den Nerv ihrer jungen LeserInnen ebenso: sie zeigen selbstsichere, kluge, unabhängige Kinder. Und dass die Geschichten in den allermeisten Fällen ein glückliches Ende nehmen, ist Enid Blytons eigener Kindheit geschuldet.
Unglückliche Kindheit
Enid Blyton, 1897 in einem südlichen Vorort von London als Kind eines Vertreters geboren, litt sehr unter der schwierigen Ehe ihrer Eltern, die geschieden wurde, als sie 13 Jahre alt war. Schon früh flüchtete sie sich deshalb in Geschichten, deren Verlauf und Ende sie selbst bestimmen konnte. Enids Vater brachte Verständnis auf für ihre Leidenschaft fürs Schreiben, ihre Mutter überhaupt nicht. Zu ihr brach der Kontakt auch ab, als Enid erwachsen war.
Zielbewusst ging sie ihren eigenen Weg und entschied sich – nach einigen Jahren als Kindergärtnerin, in denen sie an Kindern ihre selbstverfassten Texte «ausprobierte» – Schriftstellerin zu werden. Mit Hilfe ihres ersten Mannes, einem renommierten Verleger, wurde sie in den 1940er-Jahren zur gefeierten Kinderbuchautorin.
Eine kaltherzige Frau?
Enid Blyton wünschte sich sehnlichst eigene Kinder, aber als ihr Wunsch mit zwei Töchtern schliesslich in Erfüllung ging, kümmerte sie sich wenig um sie, war laut ihrer jüngeren Tochter Imogen eine kaltherzige Frau. In der Öffentlichkeit jedoch bestand sie auf dem Bild der alle umsorgenden Mutter einer glücklichen Familie. Selbst als ihre erste Ehe schon längst nicht mehr intakt war.
Ob das alles den Tatsachen entspricht – und, wenn ja, wieso sich Enid Blyton so verhielt, wissen wir nicht. Vielleicht machte sie sich selbst etwas vor, vielleicht war sie von ihrer eigenen Kindheit so traumatisiert? Vielleicht bedeutete ihr das Schreiben einfach mehr als familiäre Nähe? Mögliche Gründe für ihr Verhalten bleiben Spekulation.
Ungeschlagen – bis heute
Unbestritten hingegen ist: mit über 600 Millionen verkauften Büchern ist Enid Blyton bis heute die wohl erfolgreichste und beliebteste Kinderbuchautorin unserer Zeit. Durch sie haben unzählige Kinder auf der ganzen Welt das Lesen lieben gelernt. In ihren Glanzzeiten brachte der Postbote ihr jede Woche über tausend Briefe von begeisterten Kindern.
Ein wichtiger Teil ihres Erfolgsrezepts ist, dass Enid Blyton ganze Serien schrieb. Die LeserInnen konnten mit vertrauten Protagonisten immer wieder neue Abenteuer erleben. In dieser Hinsicht ist Enid Blyton die Urmutter von Kinderbuchserien.
Ermittelten gestern die «Fünf Freunde» und «Die schwarze Sieben», sind es heute «Die drei ???» und «Die drei !!!» – und mit ihnen eine begeisterte Leserschaft von jung bis alt. Danke, Enid Blyton.
Sendung: Radio SRF 1, 28. November 2018, Vo Zwei bis Drü, 14.06 Uhr