In seinen bisherigen Roman-Satiren hat Mohammed Hanif sich mit Pakistan auseinandergesetzt. Nun nimmt er mit «Rote Vögel» den Westen ins Visier.
Major, Momo und Mutt, der Hund
Wir hören die Stimmen von drei Ich-Erzählern: Der amerikanische Major Ellie ist in der Wüste abgestürzt. Nahe dem Flüchtlingscamp, das er hätte bombardieren sollen, man vermutete hier Terroristen.
Der 15-jährige Momo wiederum lebt in diesem Camp. Mit Politik oder Terrorismus hat er nichts im Sinn, er möchte Geschäftsmann werden, jenseits aller Moral.
Sein Hund Mutt, der seit einem Stromschlag zum Philosophen geworden ist, beobachtet alles mit seinem fremden Blick. Er sagt Dinge wie: «Wenn Menschen das Böse bekämpfen wollen, werden sie selbst böse.»
Aus diesen drei Stimmen komponiert Mohammed Hanif ein Kammerspiel des Kriegs und seiner Folgen, ausgetragen auf der Bühne der Betroffenen.
Eine Maschinerie des Mitleids
Früher habe man Kunst um der Kunst willen gemacht, heute werde «Krieg um des Krieges willen» geführt, sagt Major Ellies. Und diese Art von Krieg bedeute: «Bombenteppiche, gefolgt von Trockennahrung und Bastelkursen für die Flüchtlinge.»
Auf die Angriffe folgt die Hilfsorganisation USAID. Deshalb braucht es den Krieg, meint der Major: «Damit man Decken über brennende Babys werfen kann, braucht man brennende Babys.» Würde er seinen Job an den Nagel hängen, bräche «die weltweite Mitleid-Maschinerie zusammen».
Jeder weiss, was gespielt wird
Momo, der Empfänger dieses verlogenen Mitleids, spricht von «wohlriechenden Weltverbesserern». Zu ihnen gehört etwa Miss Flowerbody. Für eine Studie über traumatisierte Muslime befragt sie ihn zu seinen Gefühlen.
«Ich habe Posttraumatische Belastungsstörung, sie bekommt Tagesgeld in US-Dollar», kommentiert Momo trocken. In diesem Roman weiss jeder, was gespielt wird.
Mit Ausnahme von Major Ellie, der in seiner Ausbildung zwar diverse Kurse zur «interkulturellen Sensibilität» absolviert hat, jedoch nicht versteht, seit wann es ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit sein soll, «einen Job zu erledigen».
Sarkastisch und todernst
Mohammed Hanif hat aus den Absurditäten und Zynismen der westlichen Kriegsherren einen zutiefst sarkastischen Thesenroman gebaut. Dieser kommt zuerst realistisch daher – dass einiges daran fantastisch ist, merkt man erst nach und nach.
Viele der Figuren wissen nicht, dass sie bereits tot sind. Die roten Vögel, die dem Roman seinen Titel geben, schwingen sich aus den letzten Blutstropfen der Sterbenden auf und kehren als Todeszeugen zurück: Sie erinnern daran, dass Krieg kein Spiel ist.
Aus den Fugen geratene Welt
Der Roman endet mit einem bizarren, vielstimmigen Totentanz in einem leerstehenden Hangar der US-Armee. Manchmal hat man den Eindruck, die Konstruktion entgleite dem Autor. Manches wirkt zu gewollt. Immer wieder fallen Figuren aus ihrer Rolle und sagen Sätze, die man auch in einem Zeitungskommentar hätte lesen können.
Trotzdem lohnt sich die Lektüre: Mohammed Hanif zwingt uns zu einem Perspektivwechsel. Und zum Nachdenken über eine Weltordnung, die auf eine schwer fassbare Weise aus den Fugen ist.