Adam Zagajewskis Tod sei ein «grosser Verlust für die polnische Literatur», schrieb Polens Präsident Andrzej Duda bei Twitter. Was prägte Leben und Werk des grossen polnischen Dichters? Sein ehemaliger Verleger und langjähriger Freund Michael Krüger mit Einblicken in Zagajewskis einzigartige Poesie.
SRF: Sie haben Adam Zagajewski auf Deutsch veröffentlicht. Was gefiel Ihnen so an ihm?
Michael Krüger: Ich habe ihn früh in Berlin kennengelernt. Adam kam als junger Mann, der in Polen gegen eine Verfassungsänderung protestierte und es dort nicht mehr aushielt, nach Deutschland.
Bei unserem Kennenlernen hatte er ein paar Gedichte und einen kleinen Roman dabei: «Der dünne Strich».
Als ich die Gedichte gelesen habe, wusste ich schnell, was für ein
Mensch er war. Mit der Zeit hatte ich aber auch eine Vorstellung davon, in welche Richtung sich sein Schaffen entwickeln würde. Aus der Begegnung wurde eine 40-jährige Freundschaft.
Es ist eine zutiefst mitteleuropäische Dichtung, die alle Motive der mitteleuropäischen Gedankenwelt aufnimmt.
Was für ein Dichter ist aus ihm geworden?
Er ist einer dieser polnischen Schriftsteller und Dichter, die ich so gerne habe. Der Letzte der Gruppe, die mit Czeslaw Milosz, Wislawa Szymborska und Tadeusz Rozewicz begonnen hat und bei Adam Zagajewski eine Verdichtung erfahren hat.
Es ist eine tief mitteleuropäische Dichtung, die alle Motive
der mitteleuropäischen Gedankenwelt aufnimmt, um dann ein grosses, melancholisches Feuerwerk abzufeuern, das in jeder Zeile spürbar ist.
Warum ist Adam Zagajewski so ein grosser Dichter für Sie?
Er ist einer der wenigen grossen Dichter, die die grossen Themen der Philosophie, der Geistesgeschichte, der Literatur
dieses Europas wieder aufnehmen.
Er ist einer der wenigen grossen Dichter, die die grossen Themen der Philosophie dieses Europas wieder aufnehmen.
Zagajewski ist in Lemberg geboren, einer Stadt also, die unmittelbar vor seiner Geburt noch von der österreichisch-ungarischen Monarchie geprägt war. In einer vielsprachigen, jüdisch-inspirierten Welt. Unmittelbar nach der Geburt ist er dann nach Gleiwitz ausgewiesen worden, wo er in einem katholischen Kohle-Revier aufwuchs.
Dieses Amalgam macht Zagajewski empfänglich für all die Tendenzen, die aus dieser Gegend kommen. Ich glaube, dass er einer der wenigen ist, die das alles aufgesogen haben, um es in den Gedichten auf die unterschiedlichste Weise wieder ausdrücken.
Was bleibt von ihm?
Zwölf Bände, ein grosses Werk der Dichtung. Ich hoffe, dass mein ehemaliger Verlag demnächst eine grosse Ausgabe plant. Das würde zeigen, welche Bedeutung Zagajewski in der Geschichte der europäischen Poesie hatte.
Das Gespräch führte Michael Luisier.