Vor dreissig Jahren entzückten die Basler Künstlerin Betha Sarasin und Musikjournalist Markus Ganz mit ihrem fantastischen dreisprachigen Geschichten-, Bilder- und Musikbuch «Die Reise zu den Seen» auf Deutsch, Chinesisch und Englisch.
Nun hat Markus Ganz als Hommage an seine 2016 verstorbene Fabulier-Freundin den neuen Band «Zurück zu den Seen» veröffentlicht: ein fröhliches Panoptikum, ein Kulturschwamm-Pendel im Ausschlag nach Ost und West.
Sprechende Pflanzen
Die Charaktere, welche sich die Künstlerin und der Journalist vor und während einer gemeinsamen Chinareise ausgedacht hatten, wirken heute noch zugleich exotisch und vertraut: Der immer durstige Mungo «Koffitea», der wandlungsmächtige und sehr mobile Birnbaum «Lantau» oder der Weissdorn «Habakus», der sein Geschlecht nach Belieben ändern kann und menschlichen Sex eher lächerlich findet.
Für die Chinesen in den 1980er-Jahren hingegen waren sprechende, sich fortbewegende Pflanzen und Tiermenschen nicht exotisch, sondern vertraut, erzählt Markus Ganz.
Unbewusst nah an Klassiker
Damals wussten allerdings weder Ganz noch seine Co-Künstlerin Betha Sarasin um den klassischen chinesischen Roman «Die Reise in den Westen» aus dem 16. Jahrhundert.
Die Übersetzerin des neuen Buches habe ihn auf diesen chinesischen Klassiker aufmerksam gemacht, dessen Geschichten und Figuren in China mehr oder weniger Volkskulturgut darstellen. Sie sei davon ausgegangen, dass Ganz und Sarasin den Klassiker kannten und sich auf ihn bezogen – was die Vertrautheit der Chinesen mit Lantau und Co. erklärt hätte.
Dass die Chinesen die erfundenen verrückten Figuren selbstverständlich akzeptierten, verhalf wohl dazu, dass sich Markus Ganz und Betha Sarasin auf ihren Chinareisen aufgehoben, empfangen und verstanden fühlten.
Jahrzehntelange Freundschaft
Für Markus Ganz wurde diese «Reise in den Westen» zu einer zusätzlichen Herausforderung, als er beschloss, dem seinerzeitigen Band «Die Reise zu den Seen» nun «Zurück zu den Seen» folgen zu lassen. Mit vielen Bildern der 2016 verstorbenen Gefährtin Betha Sarasin.
Dazu kommt ein Tracklisten-Verweis auf diverse Streamingdienste statt der 1988 noch beigelegten Audio-Kassette. Musik, elektronische Klang-Collagen mit Stimmen und gesampelten Sounds war schon damals ein integraler Bestandteil der «Reise zu den Seen».
Aber nun will Markus Ganz nicht bloss die älter gewordenen Figuren «zurück zu den Seen» schicken.
Literarische Reise in die Zukunft
Er lässt sie auch auf jene andere Reisegesellschaft treffen, auf Figuren aus dem chinesischen Klassiker «Die Reise in den Westen», zum Beispiel auf den Affenkönig. Auf eine Facebook-Metapher, das «Buch der tausend Gesichter», oder auf einen Bio-Computersee, der die Badenden scannt und ihre Erinnerungen klont.
«Zurück zu den Seen» ist ein fantastisches, bildschönes, faszinierendes Blätter-Erlebnis, ein analoges Buch, das einen in eine Welt entführt, die jeder Game-Engine Paroli bietet.