«Ich fürchte die Danaer, auch wenn Sie Geschenke bringen!», ist ein geflügeltes Wort, das alle kennen, die schon mal einen Asterix-und-Obelix-Band gelesen haben.
Ein solches Geschenk ist das Buch der deutschen Philosophin Eva von Redecker «Revolution für das Leben. Philosophie der neuen Protestformen», das gegenwärtig für Aufsehen sorgt. Es ist für die Protestbewegungen, die sie unterstützt, eher eine Hypothek.
Vom sterilen Hörsaal auf die Strasse
Eva von Redecker ist mit Jahrgang 1982 eine der jungen Philosophinnen in Deutschland, die ihre Disziplin glücklicherweise weg von der Sterilität der Hörsäle näher an die gesellschaftliche und lebensweltliche Wirklichkeit der Menschen bringen will.
Von Redecker bringt die Philosophie sogar zurück auf die Strasse. Sie will eine «Philosophie der neuen Protestformen» schreiben, wie sie Gruppierungen wie Black Lives Matter oder die Klimabewegung darstellen.
Eine antikapitalistische Revolution?
Das Fundament dieser Philosophie ist eine radikale antikapitalistische Haltung. Mit Rückbezug auf den Marxismus, die Kritische Theorie sowie neuere feministische Theorien bezeichnet von Redecker den Kapitalismus als «viehische Wirtschaftsform», die in jedem Fall abgeschafft gehört.
Seine für Menschen und Umwelt zerstörerische Logik entfalte der Kapitalismus primär über die Institution des Eigentums.
Das private Nutzungsrecht ermögliche, ja, erzwinge profitorientierte Verwertung und sogar Missbrauch. Entfremdung und «Vermüllung» seien vorprogrammiert – ebenso die Zerstörung der Lebensgrundlagen.
«Retten, Regenerieren, Teilen und Pflegen»
In den Grundgedanken, den Formen und den Aktionen der neuen Protestbewegungen erkennt Eva von Redecker die Grundprinzipien einer neuen Art von Revolution gegen die kapitalistischen Verhältnisse. Diese Prinzipien sind laut von Redecker «Retten, Regenerieren, Teilen und Pflegen».
In der Aufnahme von Flüchtlingen, in der übergreifenden Solidarität beim Frauenstreik, in gemeinschaftlichem Besitz und in neuen Formen der Landwirtschaft würden diese Prinzipien zum Beispiel bereits heute Realität.
Revolution ist für Eva von Redecker also keine Machtergreifung in einem bestimmten historischen Moment der Zukunft, sondern ein Prozess, in dem sich sukzessive neue Verhältnisse durchsetzen. Diese Revolution sei bereits voll im Gang.
Philosophin auf Abwegen
Mit ihrer Revolutionsphilosophie gerät Eva von Redecker allerdings auch immer wieder auf Abwege. Etwa, wenn sie Plünderungen als «Vorgriff auf eine freie Welt» bezeichnet. Oder den Akt der Migration als «an sich immer schon eine Revolution für das Leben».
Demokratischer Politik traut sie wenig zu – dies sei letztlich eine «Freiheit im engen Radius der Sachherrschaft», also des Kapitalismus. Und – die Frage nach dem Danaer-Geschenk sei erlaubt – brauchen die Protestierenden gegen Rassismus und den Klimawandel tatsächlich eine gemeinsame Weltanschauung oder nicht eher Unterstützung, damit ihre Anliegen gehört und verstanden werden?