Die Wurzeln der Schweizer Spoken-Word-Szene liegen im Poetry-Slam, im Dichterwettstreit auf der Bühne. Als einige Künstlerinnen und Künstler mit dem Wettkampf-Gedanken nicht mehr viel anfangen konnten, war Spoken-Word geboren.
Das war um die Jahrtausendwende. Mit dabei waren Autoren wie Pedro Lenz, Beat Sterchi oder Guy Krneta. Die Themen waren aus dem Alltag gegriffen und die Texte von Dialogen im Zug oder im Migros inspiriert. Das meiste spielten irgendwo im Mittelland, in der Peripherie.
Mundart goes Mainstream
Dieser Text von Pedro Lenz aus dem Jahr 2009 ist typisch für die frühen Spoken-Word-Texte. Sie sind erzählerisch, nahe an der gesprochenen Alltagssprache. Lenz hatte 2003 zusammen mit Sterchi und Krneta und mit dem Musiker Adi Blum die Formation «Bern ist überall» mitbegründet.
Die Auseinandersetzung mit der Mundart, der Deutschschweizer Alltagssprache, die «Bern ist überall» leistete, trug viel zum Mundart-Boom der letzten 15 Jahre bei. Pedro Lenz oder auch Arno Camenisch wurden mit ihren Spoken-Word-Romanen zu regelrechten Literatur-Popstars.
Absurdes im Alltäglichen
Neben Alltagsthemen spielten vor allem in den ersten Jahren des Schweizer Spoken-Word-Schaffens auch Sprachbeobachtung und Lautmalerei eine wichtige Rolle. Vielfach wurden die Geschichten ins Absurde weitergesponnen.
Mit «Leider ohni Chleider» (2011) bewegt sich Matto Kämpf (unter dem Pseudonym Katto Mämpf) auf der Grenze zwischen Sprachspielerei, musikalischer Blödelei und Sittenbild. Auch das ist Spoken Word.
Was auffällt: Viele Spoken-Word-Texte der Anfangsjahre sind von Vorläuferströmungen inspiriert, etwa von der konkreten Poesie oder der «modern mundart».
Verblüffende Vielsprachigkeit
Ab Ende der 2000er-Jahre verschrieb sich «Bern ist überall» der Mehr-, ja sogar der Vielsprachigkeit. Autorinnen aus der Romandie stiessen hinzu und traten zusammen mit deutschsprachigen Autoren auf.
Vielsprachigkeit in einer Person verkörpert vor allem Ariane von Graffenried, ab 2009 bei «Bern ist überall».
Urban und globalisiert
In den 2010er-Jahren verschob sich der Fokus im Schweizer Spoken Word vom Mittelland, von der Peripherie ins Urbane. Globale und gesellschaftspolitische Themen lösten die Alltagsbeobachtungen ab. Ein Extrembeispiel dafür aus neuster Zeit ist «Culturestress» von Sarah Elena Müller.
Der Text, der die Globalisierung kritisiert und sie gleichzeitig atmet, könnte ein Vorgeschmack auf die Zukunft des Schweizer Spoken-Word-Schaffens sein. Vielsprachig, politisch, progressiv – und weiblicher.