Nach einem Wochenendausflug kehrt ein junges Paar nach Hause zurück. Er hört den Telefonbeantworter ab: Der Mitbewohner eines Bekannten ist gestorben, genau wie der Hund seiner Mutter. Einem Aberglauben zufolge, sagt er sorgenvoll seiner Partnerin, schlägt der Tod immer dreimal zu. Sie lacht ihn aus.
Dann streiten sie sich: Wer darf Abendessen einkaufen, wer muss sich um das schmutzige Geschirr kümmern? Sie gewinnt, er macht sich an den Abwasch.
Alltag eines Durchschnittspaars
Der Einstieg in die Graphic Novel «Zwei bleiben» könnte alltäglicher kaum sein. Auch das Paar wirkt gewöhnlich. Beide sind um die 30 Jahre alt, namen- und kinderlos. Ein vorstädtisches Durchschnittspaar.
Und doch ist diese alltägliche Szene der Auftakt zu einer mitreissenden Achterbahnfahrt durch eine Sonntagnacht und das Gefühlsleben des Paars.
Im Sog der Erinnerungen
Während der Mann Geschirr schrubbt, schweifen seine Gedanken ab. Er denkt an die Spannungen, die im Stau auf der Rückfahrt unheilvoll zwischen ihnen knisterten. Er vergegenwärtigt sich Szenen aus dem dramatischen Kitschroman, den sie sich zur Ablenkung gegenseitig vorlesen und wird von Bildern von früher heimgesucht.
So lässt er sich im Sog der Erinnerungen und Emotionen treiben, bis ihm plötzlich bewusst wird, dass seine Partnerin länger als erwartet wegbleibt. Er fragt sich, wo sie bleibt und merkt, dass er sie vermisst.
Seine Sorge wächst. Als zusätzliche Ebene seines emotionalen Mahlstroms kommt nun seine Imagination ins Spiel: Bilder von blutigen Katastrophen, düstere Zukunftsahnungen, Ängste. Er verlässt die Wohnung, um seine Partnerin zu suchen.
Spannung bis zum Schluss
Wie Jordan Crane die unterschiedlichen Zeit- und Bewusstseinsstränge erzählerisch und visuell verknüpft, ist beeindruckend. Die Graphic Novel «Zwei bleiben» ist komplex und doch klar.
Dank Cranes raffinierter Verwendung der Codes des Comics – der Form der Bildrahmen etwa – wissen wir immer genau, auf welcher Ebene wir uns befinden: ob in der gegenwärtigen Realität, in der Vergangenheit, in der Imagination oder in der literarischen Fiktion.
Mit diesen virtuosen Wechseln von Raum-, Zeit- und Bewusstseinsebenen schafft er einen fesselnden Strudel, dem man sich nicht entziehen kann. Jordan Crane gibt seiner Leserschaft keine Gelegenheit, sich von der Geschichte zu lösen. Die Spannung hält bis zum Schluss.
Klassisch klar und giftig grün
Die klassisch klaren und stilisierten Federzeichnungen sind in monochrome, giftgrüne Farbflächen getaucht, die nicht nur Gutes verheissen – und streckenweise die Augen strapazieren.
Crane spielt mit unseren Erwartungen und unterläuft sie. Alles scheint auf eine Katastrophe hinauszulaufen, doch Crane beschäftigt etwas anderes.
Gefährliche Selbstverständlichkeit
Es geht ihm um die Frage, was ein Paar verbindet. Um die Emotionen, die im Laufe der Zeit von einer Schicht Routine mit ihrer Mischung aus Langeweile, Spannungen und Missverständnissen überlagert werden. Es geht ihm um die Gefahr, eine solche Beziehung als selbstverständlich zu betrachten.
Das namenlose Paar aus «Zwei bleiben» lebt nicht das dramatische Leben aus einem Kitschroman, sondern ein alltägliches. Immer tiefer dringt Crane in ihre Beziehung ein und schenkt ihnen ein Schlussbild von seltener Schönheit und Poesie.
Fast ein bisschen kitschig. Aber das ist gut so.