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Comic-Biografie Nick Cave: Vom Leben gezeichnet

Der Zeichner Reinhard Kleist verwandelt Caves Leben in eine fantastische Erzählung. Realität und Fiktion verschmelzen.

Wenn der Musiker Nick Cave auf der Bühne steht und seine verstörenden Lieder über Liebe, Mord und Totschlag singt, scheint der Leibhaftige selbst nicht weit zu sein. Der Frage, wer oder was Nick Cave ist, widmet sich der deutsche Künstler Reinhard Kleist in der Comic-Biografie «Nick Cave – Mercy on Me».

Die Geschichte des Erzählers

«Er ist ein wahnsinnig guter Geschichtenerzähler», schwärmt Kleist über Cave. «Bei vielen Liedern spüre ich starke Bilder. Für einen Künstler, der visuell Geschichten erzählt, ist das eine Steilvorlage.»

Buchhinweis

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Reinhard Kleist, «Nick Cave – Mercy on Me», Carlsen Verlag, 2017.

Nick Cave ist allerdings eine Steilvorlage mit Tücken. Er selbst war am Entstehungsprozess des Comics beteiligt. Den ersten Entwurf habe Cave wohlwollend, aber wenig begeistert mit einem «Ist ok» kommentiert.

«Da merkte ich: So funktioniert’s nicht», erzählt Kleist. «Wenn ich mich dem Mann nähern will, muss ich das auf eine andere Art und Weise machen.» Also verabschiedete er sich von der Form der herkömmlichen Biografie.

Wo Realitäten verschmelzen

«Nick Cave – Mercy on Me» orientiert sich an wichtigen Stationen von Caves Leben. Aber die Geschichte hält sich an keine Chronologie. Kleist interessiert sich weniger für wahre Begebenheiten als für die grossen Themen: Freiheit, Drogen, Liebe, Chaos.

Er erschafft aus Caves Lebensstationen, den Songs und Romanen eine eigene, surreale Geschichte. Die Songs werden zu Kapiteln in Caves Leben: «The Hammer Song» erzählt von Cave als jungen Rebellen in Australien, der gegen den «Scheiss-Kommerz» ansingt.

«Where the Wild Roses Grow» besingt die Liebesgeschichte von Cave und der australischen Musikerin Anita Lane. So wie die Songs mit seinem Leben verschmelzen, verschmelzen auch Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

Comic: Nick Cave im Weltall
Legende: Als würden Welten die Liebenden trennen: Cave ist in Europa, seine Freundin Anita Lane in Australien. Reinhard Kleist/Carlsen Verlag, Hamburg 2017

Zum Künstler

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Legende: Carlsen Verlag / Wolf-Dieter Tabbert

Reinhard Kleist ist Grafikdesigner und Comic-Künstler. Zu seinen bekanntesten Comics zählen unter anderem «Lovecraft», «Castro» und die Johnny-Cash-Biografie «I See a Darkness». Er lebt in Berlin.

Nick Cave auf den Mond schiessen

Kleist kostet die Freiheiten seines Mediums voll aus. Cave habe ihn auch dazu ermuntert: «‹Im Comic kannst Du alles mit mir machen. Du kannst mich auf den Mond schiessen›, hat er gesagt. Da sagte ich: ‹Ok, ich schiesse Dich auf den Mond.›»

Gesagt getan. Cave düst in einer Rakete um den Erdball. Welten trennen ihn in dem Moment von seiner Liebe. Er schreibt ihr einen Liebesbrief – angelehnt an den Song «Love Letter». Im Comic ist alles machbar.

Die Legende des ruppigen Nick

Das Resultat dieser Mischung aus belegten Ereignissen, Songtexten und Kleists Fantasie ist der «Comic-Cave»: ein besessener Musiker in einem ständigen Kampf gegen die Welt, sich selbst und seinen Figuren.

«Man wird das Gefühl nicht los, dass Nick Cave in seiner eigenen Biografie auch nur eine Rolle spielt», schildert Kleist seine persönlichen Erfahrungen mit dem sonderbaren Musiker. «Er schraubt gerne an seiner eigenen Legende herum.»

Comic: Nick Cave arbeitet in einem vollgestopften Büro an einer Schreibmaschine.
Legende: Nick Cave ist in seiner eigenen Biografie nur eine weitere Figur: der besessene Künstler. Reinhard Kleist/Carlsen Verlag, Hamburg 2017

Muse, Musik und mehr Nick Cave

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  • «One More Time With Feeling»: ein grosses Trauerstück
  • Schlagzeuger Thomas Wydler: «Nick Cave ist ein lustiger Typ.»
  • Nick Cave schenkt sich einen Film

Cave zähmt die Kakofonie

Caves Legende ist düster und chaotisch. So endet auch Kleists Comic-Biografie in einem apokalyptischen Chaos, begleitet vom Song «Higgs Boson Blues». Darin ist er auf dem Weg zum Teilchenbeschleuniger des Cern in Genf.

Das Lied sei für Cave eine Suche nach dem Ursprung und sein musikalisches Schaffen ein Versuch, die Kakofonie zu zähmen, erklärt Kleist das verstörende Ende.

Das sagt mehr über Caves Werk, als über Cave als Menschen. Doch so düster und besessen, wie der «Comic-Cave» impliziert, sei der Künstler in Wirklichkeit nicht, sagt Kleist: «Cave ist keine sehr lustige Figur, aber er hat einen grossartigen Humor.»

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