Karlheinz Stockhausen schaute nie gerne zurück. Kein Wunder, denn der Musikrevolutionär hatte keine glückliche Kindheit. Unter anderem davon erzählt die neue Comic-Biografie von Thomas von Steinaecker und David von Bassewitz.
Stockhausens Mutter landet in einer Nervenheilanstalt und wird von den Nazis ermordet. Sein Vater tritt der NSdAP bei und stirbt im Zweiten Weltkrieg. Mit 17 ist Karlheinz Stockhausen Vollwaise. Sein Zuhause ist fortan die (musikalische) Zukunft – und das Weltall. Eigentlich stamme er vom Sirius und nicht von der Erde, behauptete der Komponist einst.
Langjährige Freundschaft
Der Autor und Filmemacher Thomas von Steinaecker kannte den Menschen hinter dem Mythos. Mit 12 bekommt er eine Schallplatte mit Stockhausens «Gesang der Jünglinge» geschenkt. Erst lacht er über Stockhausens Musik, bald aber wird er zum Fan.
Später besucht eines seiner Konzerte, trifft Stockhausen, und aus einem ersten Gespräch wird schliesslich Freundschaft – bis zum Tod des Komponisten 2007. Von Steinaecker produziert einen Film über Stockhausen, ein Radiofeature und schreibt Artikel.
Doch das Medium Graphic Novel biete ganz neue Möglichkeiten des Erzählens, findet der Autor: «Irgendwie ist Stockhausen auch ein Superheld. Jedenfalls ist er irgendwas zwischen einem normalen Menschen und einer Ikone.» Und um das Konstrukt von diesem Stockhausen-Bild aufzuzeigen, sei das Medium Comic ideal geeignet.
Stockhausen als Grafiker
In «Stockhausen. Der Mann, der vom Sirius kam» reisen wir zurück in Stockhausens Kindheit und Jugend während des Zweiten Weltkrieges. Wir erleben ihn als Familienvater, bei Kompositionsexperimenten und spüren immer wieder sein Hadern mit sich, seiner Musik und der Welt. Aber auch von ihrer Freundschaft und von sich selbst erzählt Thomas von Steinaecker.
Die Bilder dazu hat der Zeichner David von Bassewitz geschaffen. Er war dabei besonders von der Ästhetik der Partituren angetan: «Karlheinz Stockhausen – ein toller Grafiker. Seine Partituren sind wunderschöne Typografien. Das konnte ich gut aufnehmen.» Ausserdem habe er immer wieder Stockhausens Musik angehört und parallel dazu Notizen und Skizzen gemacht.
Komplexe Musik in einfachen Bildern
Apropos Stockhausens Musik: Er komponierte serielle Musik, aleatorische Musik, Momentmusik, elektroakustische Musik und Prozesskomposition. Da kann man schon mal den Überblick verlieren.
Doch das Medium Comic könne auch solche komplexen Dinge anschaulich vermitteln, findet Thomas von Steinaecker: «Dass man etwas vermeintlich Schwieriges in dem vermeintlich einfachen, populären, leicht zugänglichen Medium darstellt, erleichtert den Zugang für viele. Denn das ist so unerwartet.»
Ihre Comic-Biografie richte sich nicht an Neue-Musik-Nerds, so von Steinaecker. Denn sie erzähle nicht nur eine Geschichte über neue Musik, sondern eine Geschichte über das menschliche Schicksal von jemandem, der als Kind alles verloren hat. «Stockhausen hat sich als eine Art Superheld wieder neu erschaffen und er hatte den Mut, dabei völlig neue Wege zu gehen.»
Diese Graphic Novel ist also mehr als eine Biografie in Bildern: Sie ist eine Aufforderung an uns alle, mutiger zu sein und auch mal neue Dinge auszuprobieren.