Will Eisner kommt 1917 in der Bronx zur Welt, als Sohn jüdischer Einwanderer aus Osteuropa. Seine Comic-Karriere beginnt in den Strassen von New York. Als Zeitungsjunge lernt Eisner nicht nur die raue Realität der Grossstadt kennen, sondern auch die klassischen Zeitungscomics.
Das ist der Startschuss zu einer 70-jährigen Laufbahn, in der er sich mehrmals neu erfinden und den Comic entscheidend voranbringen wird.
Seine Geschichte ist auch eine Geschichte der US-Comics seit den 1930er-Jahren. Das zeichnet die Ausstellung «Will Eisner. Graphic Novel Godfather» im Cartoonmuseum Basel auf bestechende Weise nach.
Empathischer Held
Seine ersten Comics veröffentlicht Eisner Mitte der 1930er-Jahre – schon bald drückt er dem US-Comic erstmals seinen Stempel auf.
1940 boomen Superman, Batman und Wonder Woman. Superhelden sucht man bei Eisner indes vergeblich. Stattdessen erfindet er «The Spirit» alias Dennis Colt. Der maskierte Detektiv bekämpft Verbrechen ohne übermenschliche Kräfte, aber mit Köpfchen und Herz.
Besonders ungewöhnlich: Oft richtet Eisner seine Aufmerksamkeit auf das Schicksal der kleinen Ganoven und Nebenfiguren im Hintergrund und inszeniert kleine gesellschaftliche Dramen. Damit unterläuft er das simple Gut-Böse-Weltbild der damaligen Comics.
Lehr- und Sachgeschichten
Während des Zweiten Weltkriegs entdeckt Eisner das didaktische Potenzial von Comics. Für eine Armeezeitschrift zeichnet er Comics, die den Soldaten etwa den schonenden Umgang mit Maschinen beibringen sollen.
Dieses Konzept entpuppt sich als so erfolgreich, dass Eisner 1952 den Spirit aufgibt, um ausschliesslich Lehr- und Sachcomics für Armee, Industrie und Schulen zu produzieren.
Herzschmerz, Kakerlaken und Gott
Erst 1978 kehrt er in die Comicszene zurück. Mit «Ein Vertrag mit Gott» revolutioniert der mittlerweile 61-Jährige den amerikanischen Comic erneut.
In vier Erzählungen über die Bewohner eines jüdischen Mietshauses geht es um Liebe und Herzschmerz, Kakerlaken, ethnische Vorurteile und die Beziehung zu Gott.
Das hat so wenig mit den Stereotypen des Comic-Mainstreams gemein, dass Eisner nach einer neuen Gattungsbezeichnung sucht. Er nennt sein Buch eine «Graphic Novel». Der Begriff hat sich heute durchgesetzt, um Comics mit einem gewissen inhaltlichen und literarischen Anspruch zu bezeichnen.
In seinem vielfach preisgekrönten Alterswerk umkreist Eisner fortan sein jüdisches Erbe, das Leben im Melting Pot New York, zwischenmenschliche Beziehungen, Immigration, Rassismus und den amerikanischen Traum.
Komplott und Pamphlet
Eisners Experimentierfreude und Lust an Neuem bleiben ungebrochen: Kurz vor seinem Tod 2005 schliesst er seine 20-jährige Arbeit «Das Komplott. Die wahre Geschichte der Protokolle der Weisen von Zion» ab, ein grafischer Essay über Entstehung und Wirkung des berüchtigten antisemitischen Pamphlets.
Will Eisner ist schon da längst ein leuchtendes Vorbild für die Comicszene: Er ist der grosse alte Mann, der sich von Anfang an als Autor verstanden hat und stolz darauf war, Comics zu zeichnen. Kein Wunder setzt ihm die Comic-Industrie ein Denkmal. 1988 tauft sie den wichtigsten US-amerikanischen Comicpreis «Will Eisner Award».
Die Ausstellung im Cartoonmuseum Basel macht nicht zuletzt eines deutlich: Auch aus heutiger Perspektive bleibt Eisner ein moderner Autor.