Mounia, Leon und die namenlose Ich-Erzählerin dieses Romans haben soeben ihr Abitur abgeschlossen. Für den Abi-Ball, an dem sich der ganze Rest ihrer Schule abends versammelt, sind die drei besten Freunde zu cool. Zumindest so lange, bis die Angst, etwas Wichtiges zu verpassen, dann doch zu gross wird (im Fachjargon der Jugendsprache nennt sich dieses Phänomen «FOMO» – «Fear of missing out»).
Also raffen sie sich auf – und kommen just in dem Moment an, als alle anderen sich bereits auf den Heimweg machen.
Zu cool für die Kleinstadt
In der Vorstellung von Ilona Hartmanns drei Hauptfiguren muss das Leben für sie mehr hergeben als sie in ihrer namenlosen Kleinstadt mit ihren furchtbar normalen Familien erleben.
Also entscheiden sie sich fürs Studium in der Grossstadt und gründen zusammen eine WG. Die Erwartung ist klar: Endlich voll ins wilde Leben als junge Erwachsene eintauchen, interessante Menschen kennenlernen, auf angesagten Partys abhängen, vögeln.
Doch die Realität sieht anders aus. Erstmal müssen Jobs her, weil das Leben in der grossen Stadt trotz Unterstützung durch die Eltern teurer ist als erwartet.
Während Leon sich für einen Job in einem sozialen Umfeld entscheidet – er arbeitet in einer Kneipe – sucht sich die Erzählstimme etwas aus, das ihr die maximale Vereinzelung ermöglicht: einen Job im Home-Office, also selbstverordnetes Stubenhockertum.
Zu uncool für die Grossstadt
Bei der Erzählerin fällt auf, wie sehr sie ihrem eigenen Lebensentwurf im Weg steht. In der Kleinstadt ging sie aus Rebellion nicht auf «langweilige» Partys. Nun bleibt sie zu Hause, weil sie Angst hat, nicht cool genug für die angesagten Leute dort zu sein. Sie steigert sich zuerst in erfundene, dann auch in reale Krankheiten hinein, die sie zum Daheimbleiben zwingen – und versinkt auf dem Bett in Selbstmitleid darüber, was sie gerade alles verpasst.
Der Ärger, den man beim Lesen über diesen Mix aus Erwartungshaltung und Wehleidigkeit empfindet, ist absolut gewollt. Ilona Hartmanns Figuren werden erkennbar als klassische Opfer des modernen Zwangs, sich konstant mit anderen zu vergleichen.
Dabei spielen soziale Medien wie X, Instagram oder Tiktok eine zentrale Rolle: Sie machen das vermeintlich tolle Leben aller anderen stets auf Abruf verfügbar. Wer dem zu viel Raum gibt, so wie die Figuren im Buch, für den sieht es düster aus.
Eine Kennerin am Werk
Mit diesen Mechanismen ist Ilona Hartmann (34) bestens vertraut. Diese Lebensrealität ist nicht erst seit «Klarkommen» ihr Thema. Mit pointierten Posts darüber auf den Plattformen X und Instagram ist sie schon seit Jahren sehr erfolgreich.
Umso erfreulicher, dass dieses Buch nicht einfach aus erster Hand das Lamento einer Generation geworden ist, die an sich selbst verzweifelt. Obschon man beim Lesen der Ich-Stimme folgt, gibt es klare ironische Brüche. Mit kurzen, spitzen Sätzen legt Ilona Hartmann absurde Widersprüchlichkeiten im Denken und Handeln ihrer Figuren frei, die einen beim Lesen immer wieder auflachen lassen.
Wer es aushält, diese Figuren zu beobachten, wie sie sich genüsslich im Ärger über ihre scheinbare Langeweile suhlen, wird also belohnt. Nicht unbedingt mit Mitgefühl für die verzweifelten Jungmillennials, aber vielleicht mit einem besseren Verständnis der Mechanismen, an denen sie verzweifeln.