Als Werner Herzog 1997 eine Oper in Tokio inszeniert, lädt ihn der japanische Kaiser zu einer Privataudienz ein. Herzog winkt ab. Er fürchtet einen «leeren Austausch formeller Floskeln».
Die Anwesenden erstarren. Ein schrecklicher Fauxpas. Man fragt ihn, wen er sonst treffen wolle, wenn nicht den Kaiser. Werner Herzog antwortet: Onoda.
Vergessen im Dschungel
So lernt er Hiroo Onoda kennen, den Mann, der sich im Dschungel auf der philippinischen Insel Lubang 30 Jahre lang versteckt gehalten hat und seinen geheimen Guerillakampf für Kaiser und Vaterland fortsetzt, obwohl der Weltkrieg längst vorbei ist. Man hat ihn schlicht vergessen. Onoda erfährt nichts von den Atombomben und der bedingungslosen Kapitulation Japans im August 1945.
Erst als ihm 1974 einer seiner direkten Vorgesetzten den Befehl erteilt, sich zu ergeben, gehorcht Onoda und händigt der philippinischen Armee sein Gewehr und sein mit Palmöl gepflegtes Samuraischwert aus. Während das japanische Radio die Nachricht verkündet, stehen «die Herzen einer ganzen Nation» für eine Minute still. Das schreibt Werner Herzog mit unüberhörbarem Pathos in seinem Buch «Das Dämmern der Welt».
Das Leben ist Krieg
Onoda widersteht seinen Feinden und der unbarmherzigen Natur nur dank seiner eisernen Disziplin und Wachsamkeit. Er passt sich der Umgebung so perfekt an, dass er unsichtbar wird.
Die Einheimischen nennen ihn nur ehrfurchtsvoll den Geist im Wald. Er überlebt 111 Hinterhalte, wie Herzog weiss, der allerdings offen zugibt, ihm komme es auf Wesentlicheres an als nur auf Fakten.
Warum verklärt Herzog den Einzelkämpfer Hiroo Onoda zur Lichtgestalt? Ihm imponiert dessen Krieg als Metapher für das Leben. Zwar ist es nur ein nutzloser, einsamer Überlebenskrieg, aber schon im legendären Film «Fitzcarraldo» (1982) mit Klaus Kinski hat Herzog die «Eroberung des Nutzlosen» gereizt.
Unheilvolle Erzähltradition
Bei aller Faszination für Onoda und seine alten Samurai-Tugenden ist es mitunter befremdlich, wie ungebrochen Herzog seinen heroischen Soldaten schildert. Er lässt da eine unheilvolle deutsche Erzähltradition wieder aufleben, die nach den Kriegsbüchern eines Ernst Jüngers («In Stahlgewittern») endgültig überstanden schien.
Das mag ein Grund sein, weshalb Herzog seinem japanischen Kämpfer kein filmisches Denkmal gesetzt hat. Ob das heutige Hollywood noch einen derart aus der Zeit gefallenen Helden wie Hiroo Onoda dulden würde, scheint fraglich. Es ist eine männlich, allzu männliche Story, in der Frauen schlicht nicht vorkommen. Werner Herzogs Buch bleibt über weite Strecken eine Feier des Männlichen und Militärischen.