Colleen Hoovers Romane gingen letztes Jahr fast doppelt so oft über den Ladentisch wie die Bibel. In den USA kam die 43-jährige Autorin auf der Liste der 25 meistverkauften Bücher achtmal vor. Auch im deutschsprachigen Raum geht die Erfolgsgeschichte dieses Jahr nahtlos weiter.
Ein Phänomen: Denn aktuelle gesellschaftliche Themen scheinen bei Hoover so gut wie nicht vorzukommen. Anstelle von Diversität, Wokeness und Geschlechtsidentität gibt es stürmische Liebe, leidenschaftlichen Sex und grosse Gefühle. Was ist ihr Schlüssel zum Erfolg? Fünf Gründe.
1. Social Media
Colleen Hover reitet auf der BookTok-Welle wie keine andere Autorin vor ihr: Videos über sie und ihre Romane wurden auf TikTok bisher rund zwei Milliarden Mal gesehen.
Die BookTok-Community katapultierte Hoover – oder «CoHo», wie ihre Fans sie nennen – mit tausenden Empfehlungen gleich mehrere Male auf die Bestsellerliste der «New York Times».
Colleen Hoover kennt also die Mechanismen von Social Media: Sie pflegt die Beziehung zu ihren Fans, ermutigt ihre Leserinnen, sich untereinander auszutauschen – und zeigt sich auf ihren Kanälen witzig und nahbar.
2. Vorhersehbare Geschichten
Man taucht in ihre Geschichten ein, ist fasziniert – und das war’s: Romane als Konsumgut. Hoover sagt selbst, ihre Geschichten würden sich einfach und schnell lesen.
Die Geschichten sind vorhersehbar. Man weiss genau, was man liest. Diese Durchschaubarkeit, sagt Christine Lötscher, Professorin für populäre Literaturen und Medien an der Uni Zürich, erleichtere den Umgang mit schweren Themen wie toxischen Beziehungen oder häuslicher Gewalt, von denen Hoover erzählt.
3. Die richtigen Themen
Hoover spricht Themen an, die unter der Oberfläche schwelen und noch nicht ganz ins gesellschaftliche Bewusstsein gedrungen sind. Zum Beispiel psychische Gesundheit – besonders für junge Menschen ein grosses Thema.
Laut Christine Lötscher spricht Hoover ebenso Themen an, die in der Gesellschaft schon lange präsent sind und aktuell wenig Aufmerksamkeit bekommen: toxische Beziehungen oder heterosexuelle Erotik zum Beispiel.
4. Sie trifft verschiedene Geschmäcker
Die US-Autorin vermischt verschiedene Genres – Romantik trifft auf Spannung. Das entspricht unterschiedlichen Geschmäckern.
Und man kann Hoovers Geschichten auf zwei Ebenen lesen: als tatsächliche Beschreibung toxischer Liebe – oder als Aufforderung zur Selbstreflexion: Wieso fallen Frauen auf solche Typen rein?
Christine Lötscher stellt fest, dass Colleen Hoover einen Widerspruch in Bezug auf die heutige Situation der Frauen beleuchtet: Sie sind gebildet, unabhängig und gelten trotzdem immer noch als hauptverantwortlich für Beziehungen.
5. Aus der Zeit gefallen – und doch am Puls
Colleen Hoovers Romane thematisieren Aspekte, die viele Frauen betreffen. Sie sind schematisch und durchschaubar, kitschig und klischiert. Dennoch unterscheiden sie sich von anderen Welterfolgen wie «50 Shades of Grey», weil sie verspielt sind.
Christine Lötscher erklärt: «Es hat viel von diesem literarischen ‹Als ob›: ‹Wir spielen hier Frauenliteratur› oder ‹Wir spielen Liebesgeschichte›. Es ist nicht so ernst gemeint.»
Und wohl genau mit diesem selbstironischen Ton holt Colleen Hoover ihre weltweite Leserschaft ab. Es sind aus der Zeit gefallene Geschichten – am Puls der Zeit.