Gérard Depardieu sei eine beeindruckende Person, sagt der Comic-Autor Mathieu Sapin, er könne sehr nett sein, aber auch Angst einflössen. Diesem Brocken von einem Mann begegnen wir in «Gérard. Fünf Jahre am Rockzipfel von Depardieu» in seinem Palast mitten in Paris.
Er sitzt in Unterhosen und inmitten einer überaus wertvollen Kunstsammlung an einem gewaltigen Tisch, zieht sich auf dem Tablet eine Fernsehserie («Gladiator») rein, während er am Telefon seine nächste Reise nach Moskau plant. Neben ihm – klein, schmächtig, sichtlich eingeschüchtert – der Comic-Zeichner Mathieu Sapin.
Dabei hat der 43-jährige Mathieu Sapin Erfahrung mit grossen Franzosen: Zuvor hat er sich mit Serge Gainsbourg beschäftigt und mit dem Ex-Präsidenten François Hollande, dessen Wahlkampf und Regentschaft er in zwei langen Reportagen aufzeichnete.
Ein lebender Eiffelturm
Nun also Gérard Depardieu. Sapins Depardieu-Projekt begann in einem interessanten Moment. Depardieu hatte kurz zuvor schwer alkoholisiert einen Unfall gebaut, er zelebrierte öffentlich seine Freundschaft mit Putin, er reiste in den Kaukasus, beantragte aus Steuergründen die russische, dann die belgische Staatsbürgerschaft.
Das Verhalten des ausser Kontrolle geratenen Depardieu nervte die Franzosen, mehr noch: Es wurde zur Staatsaffäre und warf Wellen weit über Frankreich hinaus.
Da habe er begriffen, sagt Sapin im Gespräch, «dass Depardieu ein Symbol ist, ein lebender Eiffelturm.»
Die Lust am Exzess und der Provokation
Dieses Monument schien also kurz vor dem Einsturz zu stehen, und das macht diese Auseinandersetzung mit ihm, seinen Widersprüchen, Exzessen und Ambivalenzen so spannend, zumal Depardieu in den Gesprächen mit Sapin erstaunlich offen ist.
«Depardieu ist nicht nur keine glatte Person», bestätigt Sapin diesen Eindruck, «sondern er will gar nicht erst ein positives Bild von sich vermitteln, im Gegenteil.»
Sauna, Wodka und die Fahrt im Sidecar
Fünf Jahre lang hat Sapin Depardieu beobachtet. Sie fahren auf dem Motorrad durch den Kaukasus, schwitzen in der Sauna, trinken Wodka mit dubiosen russischen Geschäftsleuten, essen Fisch in einem bescheidenen portugiesischen Familienrestaurant. Egal wo man mit ihm hingehe, erinnert sich Sapin, es passiere immer etwas Unglaubliches.
Das führt immer wieder zu haarsträubenden, verblüffenden und komischen Situationen, die Sapin mit Schwung und Leichtigkeit inszeniert. Sein humoristisch karikierender Zeichenstil passt bestens: Er suggeriert Witz und Ironie und unterstreicht das Komische und Komödiantische.
Das unerträgliche Spiegelbild
Und doch zieht sich ein dunkler Unterton durch «Gérard»: Es ist der ernsthafte Versuch, sich dem Kern dieser schillernden und exzessiven Persönlichkeit zu nähern, die nicht nur auf der Leinwand, sondern auch im Alltag grösser ist als das Leben – und der Sapin mehrmals anvertraut, dass er sich und sein Image nicht ertrage.
Das sei keine Koketterie, ist Sapin überzeugt; er habe selber beobachtet, wie Depardieu immer und überall erkannt und auf sein Image zurückgeworfen werde, und das sei mit der Zeit bedrückend.
So wird «Gérard. Fünf Jahre am Rockzipfel von Depardieu» zu einem eigenartigen und immer unterhaltsamen Roadtrip durch Europa, die französische Kultur und Depardieus Denken und Leben.