Lutz Seiler hat den besten deutschsprachigen Roman des Jahres geschrieben. Für seinen Aussteigerroman «Kruso» über die DDR-Endzeit auf Hiddensee erhielt der Thüringer am Montagabend den «Deutschen Buchpreis 2014».
Für das Finale des Buchpreises – der Gewinner erhält 25'000 Euro – waren sechs Romane nominiert, darunter auch «Panischer Frühling» der Schweizerin Gertrud Leutenegger. «Kruso» galt von Beginn an als Favorit.
«Ein Requiem an alle Ostseeflüchtlinge»
Lutz Seiler habe poetisch und sinnlich sowie in einer fast ins Magische gehenden Sprache den Sommer des Jahres 1989 auf der Insel Hiddensee beschrieben, würdigte die Jury den Roman. Als «Vorhof des Verschwindens» sei Hiddensee damals ein Ort für Sonderlinge, Querdenker, Freiheitssucher und angehende DDR-Flüchtlinge geworden. Daraus habe Seiler eine packende Robinsonade um den titelgebenden Kruso und den jungen Abwäscher Edgar gemacht, pries das Kritiker-Gremium den Roman.«Kruso» sei zugleich auch ein Requiem für alle Ostseeflüchtlinge, die bei ihrer Flucht ums Leben kamen, hob die Jury hervor.
Der richtige Roman zum richtigen Zeitpunkt
«25 Jahre Mauerfall, zehn Jahre ‹Deutscher Buchpreis› – und genau der richtige Roman dazu», findet Nicola Steiner, Moderatorin des «Literaturclubs». Es sei erwartbar gewesen, dass der Autor mit seinem Roman in hochgelobter poetischer Sprache den Preis gewinnen würde. «Dass er gleich mit seinem ersten Roman einen solchen Erfolg feiern darf, freut mich sehr», so Nicola Steiner.
Seilers Lust auf Prosa
Lutz Seiler ist vielfach ausgezeichneter Lyriker – «Kruso» aber ist sein Debütroman. Der gebürtige Thüringer machte in der DDR eine Lehre als Baufacharbeiter, bevor er wie sein Romanheld Germanistik studierte. Seiler arbeitete früher selbst als Abwäscher auf der Insel Hiddensee. Die Geschichte enthält Elemente aus seinem eigenen Leben.
«Klar wäre es ein schöner Nebeneffekt, wenn sich meine Gedichtbände besser verkaufen würden», sagt Seiler im Gespräch nach der Preisverleihung. Dass er sich bei «Kruso» für die Romanform entschieden habe, sei aber nicht kalkuliert, «ich hatte einfach Lust dazu».
Nächste Chance für Gertrud Leutenegger
Für die Innerschweizerin Gertrud Leutenegger ist die Preissaison noch lange nicht vorbei. Ihr Roman «Panischer Frühling» steht auch auf der Shortlist des Schweizer Buchpreises, der am 6. November im Rahmen der BuchBasel verliehen wird.
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In der Endausscheidung setzte sich Lutz Seiler ausser gegen Leutenegger auch gegen Thomas Hettche («Pfaueninsel»), Angelika Klüssendorf («April»), Thomas Melle («3000 Euro») und Heinrich Steinfest («Der Allesforscher») durch. Der Preis wird vom Dachverband der deutschen Buchbranche traditionell am Vorabend der Eröffnung der Frankfurter Buchmesse vergeben.
Sendung: Radio SRF 4, Nachrichten, 6.10.2014, 20:00 Uhr.