«Es», «Friedhof der Kuscheltiere» und «Shining»: Mit seinen Bestsellern zählt der US-amerikanische Schriftsteller Stephen King zu den erfolgreichsten Autoren unserer Zeit. Und mit über 400 Millionen verkauften Exemplaren auch zu den reichsten.
Sein neuer Roman «Billy Summers» ist keine Horror-Story, sondern ein Thriller, der eine Lebensgeschichte im Spannungsfeld zwischen Schuld und Rache erzählt. Um es in der Filmsprache zu sagen: «Billy Summers» ist nicht Arthouse, sondern eher Blockbuster. Aber dennoch lesenswert.
Ein Mörder und das Kleinstadt-Leben
Billy Summers ist ein Auftragskiller. Nach aussen hin gibt er vor, naiv und einfältig zu sein – da liest er in aller Öffentlichkeit «Riverdale»-Comics und verstaut seine Emile Zola-Romane tief im Koffer. Doch das ist nur eine seiner vielen Fassaden, hinter denen sich ein sensibler und kluger Kopf verbirgt.
Kein Wunder also, dass ihn seine neuen Auftraggeber unterschätzen. Sie beauftragen Billy Summers, einen anderen Auftragskiller bei dessen Überstellung ins Gericht zu erschiessen.
Dafür muss Billy sich unter falschem Namen in einer Kleinstadt einrichten. Um in Ruhe seinen Posten zu beziehen, gibt er sich als Schriftsteller aus, mietet sich ein Haus und freundet sich mit den Nachbarn an. Alles sehr unauffällig und bieder, genau wie die Verhältnisse in dieser Kleinstadt.
Rache und Vergeltung
Nach Monaten des Wartens und Vorbereitens kommt der Tag, an dem er den anderen Profikiller in der richtigen Sekunde zwischen Auto und Gerichtsgebäude exekutiert. (Diese Szene erinnert übrigens in vielem an den Mord an John F. Kennedy.)
Billy taucht unter und merkt, dass er von seinem anonymen Auftraggeber über den Tisch gezogen wurde. Daraus entwickelt sich eine Art Roadmovie der Rache und Vergeltung.
Schreiben als Trauma-Bewältigung
Doch ganz so simpel belässt es Stephen King – erwartungsgemäss – nicht. Während seiner Zeit als vermeintlicher Schriftsteller entdeckt Billy Summers tatsächlich das Schreiben für sich, wird fast süchtig danach.
Billy Summers beginnt, die traumatischen Erfahrungen seines Lebens niederzuschreiben. Wie er als Kind Zeuge wurde, als seine Schwester vom Freund ihrer Mutter umgebracht wurde und er sich seither schuldig fühlt. Und er schreibt über seine Zeit als Elite-Soldat im Irak-Krieg.
Seitenhiebe auf Donald Trump
Aus all seinen Erfahrungen erklärt sich auch, warum Billy Summers später als Profikiller darauf besteht, nur «schlechte» Menschen zu töten. Man könnte diese Moral durchaus als fragwürdig und typisch amerikanisch bezeichnen – wäre da nicht das Grundthema der Lebenslügen, das dieses Buch durchzieht. Summers lügt sich sein Leben zurecht und verschiebt die Grenzen der Moral so lange, bis sie ihm wieder in sein Konzept passen.
Stephen King unterfüttert seinen Thriller mit psychologischem Gespür für seine Hauptfigur, mit Anti-Kriegs-Passagen, mit ein paar Seitenhieben auf Donald Trump und einer Menge Volten und Spannungselementen.
Als Summers nach dem Attentat untertaucht, wird er Zeuge, wie eine junge Frau von ihren Vergewaltigern aus dem Auto geworfen wird. Er nimmt sie bei sich auf – denn sie erinnert ihn an seine Schwester. Zwischen den beiden entspannt sich eine Beziehung der besonderen Art.
Genre-Literatur vom Feinsten
Stephen King ist nicht nur ein Meister seines Fachs, er macht diese über 700 Seiten Lektüre auch deshalb so lesenswert, weil er sie immer wieder mit popliterarischen Bezügen auflockert und ihnen so die Schwere nimmt.
Wer also mal wieder ein Buch von Stephen King lesen möchte oder einsteigen möchte in den Kosmos dieses Kult-Autors – für den oder die ist dieser Roman in jedem Fall eine Empfehlung wert.