Der deutsch-iranische Dichter SAID ist am Samstag im Alter von 73 Jahren in München verstorben. Er hinterlässt ein umfangreiches Werk – Lyrik, Prosa, Kinderbücher, Hörspiele. Was zeichnete das mehrfach preisgekrönte Schaffen des Mannes aus, der im deutschen Exil nicht mehr in seiner Muttersprache dichtete?
SRF: SAID gehört zu den bekannten literarischen Stimmen aus dem Iran. Er schrieb seine Lyrik und Prosa in deutscher Sprache. Was mögen Sie persönlich an seinem Werk am meisten?
Reinhard Schulze: Die Gedichte. Sie sind in einer Sprache gefasst, in der Worte zu Bildern werden, die dann wieder der Dichter zum Sprechen bringt. Das ist ein Markenzeichen der Dichtung SAIDs, von der mich manches an Rainer Maria Rilke erinnert. Man sieht daran auch, wie stark SAID versuchte, sich in der deutschen Sprachtradition einzubringen.
Das Exil war für ihn so etwas wie ein rettender Engel
SAIDs Leben war wechselhaft. Er kam 1965 als 17-jähriger Student von Teheran nach München, wo er sich im Exil gegen den Schah engagierte. Nach dessen Sturz 1979 kehrte er für kurze Zeit in den Iran zurück, sah sich dann aber gezwungen, das Land erneut zu verlassen. Er zog wieder nach München, wo er bis zu seinem Tod lebte. Über den Iran schrieb er: «Die Machthaber wechseln, der Terror bleibt.» Wie sehr litt SAID darunter, im Exil leben zu müssen?
Das Exil war für ihn so etwas wie ein rettender Engel, aber auch eine permanente Fremde. Das Exil wurde zu einem der zwei grossen Leitthemen in seinem Werk. Das andere ist die Liebe. SAID deutete das Exil auch immer im Rahmen einer nicht-konfessionellen Spiritualität.
Er wurde zwar als Muslim geboren, verstand sich aber nicht als Muslim. Im Rahmen dieser Spiritualität spielte das Exil eine wichtige Rolle. SAID stellte das Exil als den prinzipiellen Daseinsort des Menschen dar. Will heissen: Jeder Mensch lebt in seinem Exil, aus das ihn nur eine persönliche Frömmigkeit hinausführen könne.
Bemerkenswert war ja, dass SAID die meisten seiner Werke in Deutsch verfasste, obwohl er immer betonte, sein Herz schlage für die persische Sprache. Was hat es mit dieser Abkehr von der Muttersprache auf sich?
SAID beherrschte die persische Dichtersprache natürlich exzellent. Er übersetzte seine Dichtung aber nicht aus dem Persischen ins Deutsche, sondern unterschied stark zwischen deutscher und persischer Sprache in seiner Dichtung.
Das Deutsche war für ihn nicht einfach eine orientalistische Replikation des Persischen, sondern ein eigenständiger Duktus, in dem das dichterische Anliegen zum Ausdruck gebracht wird. Und das war eben, den Dichter zu befähigen, Bilder zum Sprechen zu bringen.
Ich glaube, das ist im Deutschen im Vergleich zu anderen Sprachen nicht besonders leicht. Umso mehr ist zu bewundern, wie es SAID gelungen ist, die deutsche Dichtersprache auch in der Gegenwart weiterzuentwickeln.
SAID schrieb einmal, in der Diktatur übernehme die Literatur die Rolle der freien Presse. Wie politisch war er in seinem Schaffen?
SAID hatte ja in München Politologie studiert und war in den 1960er-Jahren stark politisch engagiert. Allerdings stellte er sein Schaffen nicht in den Dienst der Politik, sondern in den Dienst der Person, des Einzelnen, der jeweils mit Machtpolitik und Herrschaft konfrontiert ist.
In dieser Kritik an der Politik war SAID sehr politisch, aber ein eigenständiges politisches Programm hat er nicht ausformulieren wollen.
SAIDs Lyrik ist voller Poesie und Musikalität, aber auch Melancholie. Er erhielt mehrere Literaturpreise. Was verliert die Welt durch SAIDs Tod?
Die Welt verliert erst mal einen exzellenten Dichter, der in der Lage war, mit der schwierigen deutschen Sprache so poetisch umzugehen, dass sie zu Musik wurde. Er schaffte es, Bilder in einer anderen Form zum Ausdruck zu bringen als durch das Auge, als durch das Sehen. Das Hören der Worte, ihrer Klänge, machte sein Werk ja auch aus.
Das Gespräch führte Felix Münger.