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«Die guten Tage» von Marko Dinic
Aus 52 Beste Bücher vom 23.06.2019. Bild: © Leonhard Pill / Zsolnay
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«Die guten Tage» Per «Gastarbeiter-Express» zurück zu den Monstern des Krieges

Marko Dinić seziert die zerrissenen Seelen junger Serben – 20 Jahre nach dem Ende der Balkankriege.

Serbien ist ein «heiliges Scheissland», dem die ambitionierte junge Generation davonläuft. So schildert es der Erzähler in Marko Dinićs gefeiertem Debütroman «Die guten Tage».

Zurück bleiben ihre Väter. In den Balkankriegen der 1990er-Jahren hätten sie unter Slobodan Milošević und seiner Schergen ihre «guten Tage» gehabt. Nun aber stünden sie da, «gealtert, vergessen, jämmerlich».

Wie geschriebener Rap

Da ist eine neue Erzählstimme: wütend, kraftvoll, wie man sie in den letzten Jahren selten vernahm in der jungen Literatur deutscher Zunge. Wie geschriebener Rap.

Doch es gibt für diese Literatur auch literarische Vorbilder: Einer, der Marko Dinić prägte, war Louis-Ferdinand Céline. In seinem wilden Epos «Reise ans Ende der Nacht» verlieh Céline 1932 einer vom Ersten Weltkrieg versehrten Generation eine Stimme.

Eine zerrissene Generation

Etwas Vergleichbares gelingt nun Marko Dinić. Er bringt die Aggression und Zerrissenheit jener traumatisierten jungen Generation in Serbien zum Ausdruck, die in den Krieg hineingeboren wurde. Diese Jungen glauben, ihre Väter hätten ihnen die Zukunft geklaut.

Dinićs Erzähler ist wie viele junge Serben ausgewandert, schlägt sich in Österreich vor allem als Barkeeper durch. Je weniger er sich irgendwo verstanden und zugehörig fühlt, desto mehr Aggressionen stauen sich auf.

Acht Stunden im «Gastarbeiterexpress»

Als seine Grossmutter stirbt, die seine Emigration finanziell ermöglicht hat, reist der namenlose Ich-Erzähler nach zehn Jahren erstmals wieder zurück nach Belgrad. Eine achtstündige Busfahrt, «Gastarbeiterexpress» genannt.

Nach einigen Fahrtstunden beginnen sich Rudelführer aufzuspielen. Es sind jene, die am lautesten schwadronieren, am exzessivsten saufen und die meisten «Ein Bosnier-ein Kroate-ein Serbe»-Witze kennen. Wie Marko Dinić von diesem Treiben im Bus erzählt, ist das Glanzstück seines Romans.

Gnadenlose Aufarbeitung

Der Erzähler kommt mit dem Sitznachbar ins Gespräch. Eine Art Schriftsteller, der «gnadenlose Aufarbeitung» betreibt, sich im Bus auch 20 Jahre nach Ende des Krieges noch unter potentiellen Mördern und Vergewaltigern fühlt.

Der Erzähler und sein Sitznachbar setzen sich nun mit der kaum vernarbten (Seelen-)Topografie im ehemaligen Jugoslawien auseinander. Sie denken über die Herkunft nach, der sie auch nicht entkommen, und wie die Kriegsereignisse vor dem Vergessen bewahrt werden können.

Buchhinweis

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Marko Dinić: «Die guten Tage». Zsolnay, 2019.

Vordergründig empfanden zwar auch sie die Tage, als die Nato-Kampfjets Belgrad bombardierten, als «gute Tage» – weil sie oft schulfrei hatten und spielen konnten. Aber da war zugleich die Angst. Und noch immer fürchten sie, wieder den Monstern des Krieges zu begegnen, die sie als Kinder nicht schlafen liessen.

Grossartig, wie Marko Dinić mit starken Bildern die Balkankriege und ihre Nachwirkungen dem Vergessen entreisst.

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