1. Adonis
Der syrische Dichter Ali Ahmad Said, der seine Bücher unter dem Künstlernamen Adonis herausgibt, gilt Insidern seit bald 30 Jahren als brandheisser Nobelpreis-Favorit. Mittlerweile ist der ewige Anwärter 86 Jahre alt. Geklappt hat es nie. Adonis kann – liest man – das Wort Nobelpreis schon gar nicht mehr hören. Wird er darauf angesprochen, wackelt er mit dem Zeigefinger hin und her und schüttelt energisch den Kopf: «Nein, nein, nein», Link öffnet in einem neuen Fensterim Browser öffnen. Ende der Durchsage.
2. Philip Roth
Ziemlich radikal reagiert auch der Amerikaner Philip Roth auf seine ewige Favoritenrolle. Auch er ist bereits 83, auch er rangiert bei Ladbroke , Link öffnet in einem neuen Fensterim Browser öffnenund anderen Buchmachern 2016 ganz vorne. Wieder einmal, wie eigentlich schon immer. Roths Literaturagent Andrew Wylie sagt dazu zur FAZ, Link öffnet in einem neuen Fensterim Browser öffnen: «Philip Roth hat schon vor Jahren aufgehört, sich über den Nobelpreis Gedanken zu machen.» Nur, diese Frage sei erlaubt, wie soll das gehen, nicht an den Nobelpreis denken? Jetzt, wo alles von ihm spricht? Die Rothsche Denksperre – sie ist eine Sackgasse.
3. Haruki Murakami
Auch der Japaner Haruki Murakami, mit 67 Jahren im Vergleich zu den anderen ein regelrechter Jüngling, scheint am Nobelpreis zu leiden. Seine Taktik: abwiegeln. «Der Nobelpreis und ich sind sehr weit voneinander entfernt», sagt er im Interview mit dem Spiegel, Link öffnet in einem neuen Fensterim Browser öffnen: «Jede Form von Hochachtung ist eine Bürde für mich. Ich möchte kein Standbild sein.» Der Nobelpreis mit seinem tonnenschweren Gewicht würde den Mann mit Sicherheit erdrücken. Hoffentlich denkt Murakami daran, in diesen Tagen nicht ans Telefon zu gehen – es droht ein Ferngespräch aus Schweden...
4. Jon Fosse
Das Telefon abnehmen würde wohl der 57-jährige Norweger Jon Fosse. Aber auch er offenkundig nur widerwillig. Natürlich strebe er den Nobelpreis an, teilte er nach der letztjährigen Preisvergabe dem norwegischen Fernsehen, Link öffnet in einem neuen Fensterim Browser öffnen mit, aber bitte alles zu seiner Zeit. Es wäre weder literarisch noch persönlich gut für ihn gewesen, wenn er den Preis schon da bekommen hätte: «Darum bin ich erleichtert und glücklich».
Sartre, Tröster der Stunde
Fingerwackeln, Versteinerungsängste, Denksperren und Sorge um literarisches und persönliches Wohlbefinden: Offenbar raubt der Literaturnobelpreis den ewigen Favoriten den Schlaf. Ob das Komitee diese Ängste kennt – und ernst nimmt? Es wäre den Schriftstellern zu wünschen.
Und falls sich das Komitee stur stellen würde und einem von ihnen den Preis dennoch zusprechen würde? Ja, dann bliebe ihm immer noch die Möglichkeit, den Preis auszuschlagen, so wie es 1964 der grosse Jean-Paul Sartre vorgemacht hat, der bekanntlich bei allen offiziellen Ehrungen schreckliche Pusteln und allergische Schübe entwickelte.
Ja, Sartre, er dürfte in dieser schweren Zeit für alle, die am Gedanken an einen Gewinn leiden, der letzte Freund und Tröster sein.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur aktuell, 12.10.2016, 6.50 Uhr.