James Bridle lehrt uns das Gruseln, wenn er uns die Schattenseiten des digitalen Zeitalters vor Augen führt.
Dabei ist Bridle kein Technik-Feind, im Gegenteil: «Die Technologie ist nicht das Problem. Sie ist niemals das Problem. Das Problem ist der Kontext, in dem Technik eingebettet ist.»
Eine marode Infrastruktur elektrischer Verteilnetze, ein aus den Fugen geratener Überwachungs-Fetischismus und das blinde Vertrauen in die flüchtige digitale Welt, bereiten Bridle Kopfzerbrechen.
Wettervorhersage als Seismograph
Am Beispiel der modernen Wettervorhersage führt uns James Bridle ins Zentrum seiner Überlegungen. Vor 100 Jahren entwickelt und nach dem Zweiten Weltkrieg verfeinert, wurde die Wettervorhersage zu einem präzisen Instrument staatlicher Planung.
Agrarwirtschaft und gesellschaftliche Prozesse konnten so für das Allgemeinwohl klug gelenkt werden. Nun hat der Klimawandel einen Strich durch die Rechnung gemacht.
Das Abschmelzen des Permafrosts, die wachsende CO2-Emission und die damit einhergehende Aufwärmung der Erde haben drastische Auswirkungen auf die Netzwerk-Welt, die auf einen reibungslosen Datentransfer angelegt ist. Sie heizen sich auf und könnten immer wieder ausfallen.
Digitaler Energiehunger
So zeigt Bridle, wie fatal der Klimawandel und die neuen Technologien zusammenhängen. Die Flut an Smartphones, Laptops und gewaltigen Rechnerkapazitäten benötigt zudem Unmengen an Energie, mit steigender Tendenz.
«Im Jahr 2015 waren die Rechenzentren dieser Welt, in denen Exabyte an digitaler Information gespeichert und verarbeitet werden, für rund drei Prozent des Stromverbrauchs verantwortlich und für zwei Prozent der globalen Gesamtemissionen.»
Die Grenzen des digitalen Denkens
Das Internetzeitalter, kaum 20 Jahre alt, bescherte uns Technologien, mit denen wir Unmengen von Daten anhäufen. Daten, mit denen wir alle nur erdenklichen Probleme lösen könnten. In stetig wachsenden Clouds werden Daten aus Industrie, Politik und dem sozialem Leben abgelegt.
Doch damit allein sitzen wir in einer Denkfalle. Wir denken zu sehr in Kategorien digitaler Technik, in Formaten und Algorithmen. Eine sinnvolle Nutzung der Daten scheitert an einem Missverhältnis von Wirklichkeit und digitaler Abbildung, wie Bridle resümiert: «Dieser Versuch der Kontrolle scheitert immer daran, dass die Welt komplexer ist als diese Darstellung durch technologische Systeme.»
Unsichtbare Akteure
Dazu gesellt sich der alles durchdringende digitale Kapitalismus, dominiert von kommerziellen Plattformen, sozialen Netzwerken, die mit leichter Hand von Kriminellen sowie staatlichen Hackern manipuliert werden können.
Diese Angst vor dem Unbekannten, macht uns zu handlungsunfähigen Bewohnern einer zuweilen diffusen Kommunikationswelt. Ohnmächtig blicken wir auf ein mächtiges soziales Netzwerk wie Facebook, das alles andere als sozial auftritt.
Digitales neu denken
Diese Verzahnung von Kommerz, Spionage und Klimawandel verdichtet sich zu einer gesellschaftlichen Zeitbombe. Das führt nach Bridle in eine Art selbstverschuldete digitale Unmündigkeit.
Als Lösung bietet Bridle keine Parolen an, sondern die anspruchsvolle Botschaft: «Keine digitalen Denker sollen wir bleiben, sondern Denker des Digitalen werden».