Verstörend brutal: «GRM – Brainfuck» von Sibylle Berg
Sibylle Berg schildert eine perfektionierte Überwachungsdiktatur in Grossbritannien. Wer sich bereit erklärt, sich einen Chip einpflanzen zu lassen, hat Anrecht auf ein Grundeinkommen – wird jedoch im Gegenzug rund um die Uhr überwacht.
Wer sich weigert, landet auf der Strasse und ist vogelfrei. Vier Jugendliche entziehen sich dem unmenschlichen System und versuchen ein Leben ausserhalb. Der Roman wirft mit seiner vulgären und brutalen Sprache einen verstörenden Blick auf eine Zukunft, die – in Teilen – bereits begonnen hat.
Buchhinweis: Sibylle Berg. «GRM – Brainfuck». Kiepenheuer & Witsch 2019.
Unmenschliche Umgebung: «Unser Leben in den Wäldern» von Marie Darrieussecq
Eine Psychotherapeutin lebt in einer Welt aus Klonen und Robotern. Der technische Fortschritt ist auf die Spitze getrieben. Der echte Mensch ist kaum noch zu unterscheiden von den Menschmaschinen, die von einer künstlichen Intelligenz gesteuert werden.
Mehr und mehr erkennt die Frau, dass die sie umgebende Gesellschaft zutiefst unmenschlich ist. Sie steigt aus, um unter Waldmenschen zu leben. Der Roman der Französin Marie Darrieussecq stellt plastisch dar, was mit uns geschieht, wenn wir uns mehr und mehr in die Abhängigkeit der Technologie begeben.
Buchhinweis: Marie Darrieussecq. Unser Leben in den Wäldern. Aus dem Französischen von Frank Heibert. Secession Verlag 2019.
Das Fest ist vorbei: «Eigentlich müssten wir tanzen» von Heinz Helle
Fünf junge Männer, alte Schulfreunde, treffen sich für ein Wochenende in einer Berghütte. Man will wie früher gemeinsam trinken und feiern.
Als sie ins Tal zurückkehren, sind die Städte und Dörfer zerstört, die Menschen ermordet. Es ist der blanke Horror. Was genau geschehen ist, bleibt unklar.
Die fünf müssen um ihr Überleben kämpfen. Der dystopische Roman zeigt, was vom Menschen übrig bleibt, wenn die Zivilisation und die Kultur wegbrechen.
Buchhinweis: Heinz Helle. Eigentlich müssten wir tanzen. Suhrkamp-Verlag 2015.
Aufruf an die Politik: «Die Mauer» von John Lanchester
Das Klima ist kollabiert. Die Erde ist ein riesiger Ozean. Einzig Grossbritannien hat sich rechtzeitig vor den Fluten geschützt – mit einer gigantischen Mauer rund um die Hauptinsel.
Das Leben im Schutz der Mauer ist jedoch beklemmend: Britannien ist ein Sklavenstaat. Es wird von einer kleinen Elite beherrscht, welche die Jugend mit drakonischen Methoden zum Wachdienst auf der Mauer presst.
Der Roman liest sich als eindringlicher Aufruf an die Politik, den Klimawandel zu stoppen.
Buchhinweis: John Lanchester. Die Mauer. Aus dem Englischen von Dorothee Merkel. Klett-Cotta, 2019.
Wenn der Algorithmus befiehlt: «Die Hochhausspringerin» von Julia von Lucadou
Die Menschen der Zukunft leben in einer gläsernen Stadt, in der das Leben von Algorithmen diktiert wird. Sie sorgen dafür, dass sich die Menschen so verhalten, dass ihr Tun möglichst grossen ökonomischen Nutzen bringt.
Der Roman treibt verbreitete Ängste vor der Digitalisierung gekonnt auf die Spitze. Er lässt sich als Appell verstehen, den rasanten technischen Wandel und die wachsende Macht der IT-Konzerne mit politischen Mitteln zu kontrollieren.
Buchhinweis: Julia von Lucadou. Die Hochhausspringerin. Hanser Berlin, 2018.
Künstliche Früchte: «Hysteria» von Eckhart Nickel
Bergheim betrachtet auf dem Markt Bio-Himbeeren. Ihm scheint, dass mit ihnen etwas nicht stimmt. So beginnt der Roman «Hysteria» von Eckhart Nickel. Man ahnt schon beim ersten Satz das Unheil, das droht.
In surrealen und unheimlichen Szenen entwirft der Autor eine dystopische Welt. In Labors werden künstliche Tiere und Pflanzen erzeugt. Der Mensch darf sich nur noch von Fallobst oder im Labor erzeugten Produkten ernähren. Am besten sollte er ganz von der Erde verschwinden.
«Hysteria» nimmt Leserinnen und Leser mit in ein kulinarisches Labor und lässt sie erschauern.
Buchhinweis: Eckhart Nickel. Hysteria. Piper, 2018.