Ausnahmsweise beginnt das Abenteuer der unbeugsamen Gallier nicht in ihrem kleinen Dorf, sondern mit einem weissen Bild. Asterix, Obelix, Idefix und der Druide Miraculix haben sich in einer nebligen und winterlich eisigen Steppe tief im barbarischen Osten verirrt.
Der Hilferuf seines Kollegen Terrine, Schamane des Stamms der Sarmaten, hat Miraculix in einem Traum ereilt – und die Gallier haben sich sofort auf den Weg gemacht.
Nicht zu früh: Auf dem Weg tief ins östliche Barbaricum sind auch römische Legionäre, um Cäsars Wunsch nach einem neuen Spielzeug zu erfüllen: Er möchte den Vogel Greif im Zirkus vorführen, jenes mythische Mischwesen aus Löwe, Adler und Schlange. Der Greif ist jedoch das heilige Tier der Sarmaten.
Weit jenseits der Komfortzone
In ihrem fünften Asterix-Band schicken der Texter Jean-Yves Ferri und der Zeichner Didier Conrad, die die Serie 2013 von Albert Uderzo übernommen haben, die Gallier weit aus ihrem heimatlichen Gallien weg – und das ist gut so: So entfallen alle verbrauchten Running Gags, die andere Asterix-Abenteuer mittlerweile zur Qual machen.
Überdies ist die Welt, in die die Gallier und Römer weit jenseits der Grenzen des römischen Imperiums eintauchen, sehr gelungen: Der Stamm der Sarmaten soll einer Vermischung aus Skythen und Amazonen entsprungen sein.
Das sarmatische Dorf ist fest in matriarchalischen Händen und die Rollenverteilung ist klar: Die Frauen – sie heissen Kalaschnikowa oder Casanowa – kämpfen, die Männer kümmern sich um den Haushalt und tragen Namen wie Terrine oder Honigbine. Das ist ziemlich komisch.
Asterix im Schatten der Amazonen
Der zweite Clou dieser neuen Umgebung: Asterix und Obelix können sich nur mit Mühe als Krieger durchsetzen und spielen letztlich eher Nebenrollen – die sarmatischen Amazonen stehlen ihnen klar die Show. Auch das ist ein Trick, um das Abenteuer bis zu einem gewissen Punkt von den Stereotypen der Serie zu befreien.
Idefix tanzt mit den Wölfen
Und sonst? Die Handlung ist schmissig: Idefix entdeckt den Wolf in sich und tanzt und heult mit den Wölfen des Ural. Obelix gerät beim Klang der Trommeln in Trance und entdeckt den Schamanen in sich, der Zaubertrank gefriert zu Eis und verliert damit seine Wirkung.
Natürlich stecken Namen und Dialoge voller Wortspiele: Da gibt es zum Beispiel einen Legionär namens Fakenius oder neudeutsch: Fake-News, der seine Mitlegionäre mit haarsträubenden Verschwörungstheorien in Angst und Schrecken versetzt.
Solide Unterhaltung
Mit ihrem fünften Asterix-Band halten Ferri und Conrad das Niveau ihrer vier anderen Bände. «Asterix und der Greif» ist eine solide Geschichte mit grosser Gag-Dichte.
Ferri und Conrad hatten offensichtlich viel Spass beim Schreiben und Zeichnen dieses Bands, und dieser Spass überträgt sich auch auf die Leserinnen und Leser.
Die katastrophal schlechten letzten Bände Uderzos sind vergessen – andererseits geht Ferri und Conrad aber doch die Genialität der grossen Asterix-Klassiker aus der Feder von René Goscinny ab. Aber diese alten Asterix-Meisterwerke sind ohnehin unerreichbar.