Das Wichtigste in Kürze
- Der Roman «Apollokalypse» des deutschen Lyriker Gerhard Falkner ist im Berlin der 1980er- und 1990er-Jahre angesiedelt.
- Das Buch lebt von «Sex and Drugs and Rock 'n' Roll» – dem Motto einer Zeit, die Falkner selbst erlebt hat.
- Der Roman ist dicht, unterhaltsam – und wohl der Berlinroman seit Alfred Döblins «Berlin Alexanderplatz» .
Apollo, Kalypso und die Apokalypse
Am besten nähert man sich diesem vielschichtigen und komplexen (Lebens-)Werk über den Titel. In «Apollokalypse» stecken die Begriffe Apollo, Kalypso und Apokalypse. Apollo steht für Schönheit, Kalypso für Verführung und Apokalypse für Zerstörung.
Wer in den 80er- und 90er-Jahren in Berlin gewesen ist und sich längere Zeit an den richtigen Orten aufgehalten hat, weiss, dass alle drei Begriffe dem damaligen Berlin recht nahe kommen.
Eine Stadt der Extreme
Wir sind in einer Stadt, in der der Bär tanzt. «Sex and Drugs and Rock ’n‘ Roll» ohne Ende. Und alles ist extrem. Die Politik ist extrem, denn die RAF versteckt sich in Kreuzberg gerade in ihren konspirativen Wohnungen.
Die Mauer steht und macht Berlin zur Insel- und Frontstadt zugleich. Überall Agenten. Stasi, BND und RAF ergeben zusammen ein illustres Völkchen.
Die Kunst ist extrem. Die jungen Wilden sind gerade dabei, Berlin zu einem zweiten New York zu machen. Und New York macht mit. Alain Ginsberg ist da und Iggy Pop mit David Bowie. Sie treffen auf Martin Kippenberger und Oskar Roehler.
Es gibt Tote
Dazu die Drogen. Auch die sind extrem. Der Drogenkonsum mischt sich mit der Kunst und der Politik. Und so ist es nicht mehr weit bis zum Absturz. Es gibt Tote. Die einen überleben die RAF nicht, die anderen die Drogen, die dritten sich selber. Tod durch Selbstzerstörung. Ein Generationending damals.
Darum taucht nun im Roman eine weitere illustre Person auf. Der Mann mit dem Turban. 40 Seiten vor Schluss erkennt man, dass wir es mit dem Leibhaftigen zu tun haben. Von Anfang an mischt er mit in Berlin. Von Anfang an ist er Teil dieses Romans. Und er bleibt präsent bis zum Schluss.
Sprechende Namen
Das riecht ganz schön nach «Meister und Margarita» von Bulgakow. Und tatsächlich: Der Roman «Apollokalypse» ist voller Anspielungen, Bezügen und Querverweisen. Proust taucht ebenso auf wie Ovid, Kafka und Nietzsche.
Die Anspielungen gehen bis hinein in die Namen: Die Hauptfigur heisst Georg Autenrieth, wie Hölderlins Arzt. Georgs erste Geliebte heisst Henriette Vogl, fast wie Kleists Freundin. Ein paar dieser Anspielungen erkennen wir. Die meisten nicht. Das macht nichts.
Vergnügen, Frauen und Freunde
Der Roman ist auf allen Ebenen lesbar und auf allen Ebenen ein Vergnügen. Auch auf der einfachsten, der inhaltlichen: Georg Autenrieth kommt Ende der 70er-Jahre aus Franken nach Berlin. Dort bewegt er sich die nächsten Jahrzehnte durch die grosse Stadt des «Sex and Drugs and Rock ‘n’ Roll».
Mit ihm sind zwei Freunde und zwei Frauen. Die Freunde sind der Künstler Heinrich Büttner, der bipolar ist und sich das Leben nimmt, und der Dandy Dirk Pruy. Die Frauen heissen Isabel und Billy und geben Authenrieth viel Sex und dem Roman Struktur. Es gibt hier ein Buch Isabel und ein Buch Billy.
Falkner war dabei
Das Buch lebt von seinen Kulissen. Berlin und New York, der Sex, die Politik, die Kunst. Der renommierte Lyriker Gerhard Falkner hat das alles miterlebt. Er hat sich jahrzehntelang Notizen gemacht und schliesslich diesen fulminanten Roman geschrieben. Dicht, prall, gebildet, humorvoll und sehr unterhaltsam.
Ein Leseerlebnis erster Güte. Aber nicht zu beschreiben.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, 52 beste Bücher, 11.12.2016, 11:03 Uhr