Kristin Hannah ist eine der erfolgreichsten US-Autorinnen. Die Netflix-Serie «Firefly Lane», für die gerade die zweite Staffel gedreht wird, basiert auf einer ihrer Geschichten. Ende September ist ihr neuer Roman «Die vier Winde» auf Deutsch erschienen.
Kristin Hannah bleibt ihrem Rezept treu, das sie seit ein paar Jahren konsequent verfolgt: Sie sucht nach vergessenen, historischen Frauenfiguren und gibt ihnen eine Stimme. Es sind Frauen, die im Kleinen für oder gegen etwas gekämpft, aber nie Anerkennung erfahren haben.
Flucht ins Ungewisse
In «Die vier Winde» ist das Elsa. Sie lebt in den 1920er-Jahren als junges Mädchen im Norden von Texas. Elsa ist unscheinbar, unsicher und wird von ihren Eltern lieblos aufgezogen. Sie erwartet nicht viel vom Leben. Als sie sich in den Sohn italienischer Einwanderer verliebt und mit ihm Kinder bekommt, wird sie auf der Farm der Schwiegereltern zu einer hart arbeitenden Frau, die alles macht für ihre Familie, aber emotional zu allen auf Distanz bleibt.
Nach ein paar Jahren verlässt Elsas Mann die Familie – und als dann noch die Zeit der verheerenden Dürren und Staubstürme anbricht, sieht sie keinen anderen Ausweg, als mit ihren Kindern gegen Westen zu ziehen. Trotz aller Ängste und Zweifel: «Elsa fragte sich, wie um alles in der Welt sie auf die Idee gekommen war, sich diesem Treck nach Westen anzuschliessen? Sie war doch gar nicht mutig genug, um zu einem unbestimmten Ziel aufzubrechen und unbekannte Gegenden zu durchqueren.»
Eine Heldin findet ihre Stimme
Elsa schafft es durch die schwere Zeit und findet ihre Stimme. Kristin Hannah lässt sie zu einer starken Frau werden, die später auch für Anerkennung anderer Frauen kämpft.
Als Elsa im Westen ankommt, schaut sie zurück auf die Zeit, als in ihrer Heimat die Dürre kam und alles verloren ging: «Sogar die starrköpfigen alten Männer sagten: ‹Hier draussen muss ein Mann für seinen Lebensunterhalt kämpfen ...› Es waren immer nur die Männer, um die es ging. Anscheinend dachten sie, zu kochen, zu putzen, Kinder zu gebären und sich um den Gemüsegarten zu kümmern, hätte keinen Wert. Doch auch wir Frauen arbeiteten von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang, schufteten auf Weizenfarmen, bis wir ebenso ausgedörrt und hart waren wie das Land, das wir liebten.»
Heldinnen wachsen über sich hinaus
Lange Zeit war Kristin Hannah vor allem als Autorin populärer Liebesromane bekannt. Nun widmet sie sich vermehrt historischen Ereignissen und lässt ihre Heldinnen über sich hinauswachsen. Elsa folgt somit ihren Vorgängerinnen in Hannahs neueren Romanen.
2015 schrieb Hannah im Roman «Die Nachtigall» über zwei Schwestern, die in den Wirren des Zweiten Weltkriegs ums Überleben kämpfen. Ein paar Jahre später thematisierte sie die Auswirkungen des Vietnamkriegs auf die Tochter eines Kriegsveteranen. Und die Heldin im aktuellen Buch, Elsa, ist konfrontiert mit den verheerenden Dürren in der «Dustbowl» während der Weltwirtschaftskrise.
Die weiblichen Hauptfiguren beweisen Durchhaltewillen, Mut und vor allem Selbstlosigkeit. Empathie steht für Hannah im Zentrum, und sie ordnet sie ihren Heldinnen als typisch weibliche Eigenschaft zu.
Konservatives Frauenbild
Es fällt auf, wie Kristin Hannah traditionell weibliche Eigenschaften als lobenswert aus dem Schatten holt. Sie sieht sich als Feministin, die für weibliche Stärken und deren Anerkennung kämpft.
So vermittelt die Autorin ein konservatives Frauenbild, das kaum die Gesellschaft verändert. Aber sie bietet gute Unterhaltung. Und genau das ist ihr Erfolgsrezept.