Ödön von Horvath, Joseph Roth, Franz und Alma Werfel, Carl Frucht: Alle sind sie bekannt. Alle stehen sie Hertha Pauli nahe. Und alle müssen Österreich verlassen, als in der Nacht vom 11. auf den 12. März 1938 deutsche Truppen Österreich überfallen und Hitler am 13. März 1938 in Wien einzieht.
Mit ihnen flieht auch Hertha Pauli, ehemalige Schauspielerin in Berlin, jetzt Literaturagentin in Wien und Autorin zweier biografischer Romane über bedeutende Frauenfiguren
Der Lauf des Schicksals
Mit dem Dichter Walter Mehring und dem Juristen Carl Frucht gelangt Pauli über Zürich nach Paris. Dort wird sie Teil der illustren Gruppe um den Schriftsteller Joseph Roth, der im Restaurant «Tournon» seinen berühmten Stammtisch unterhält. Sie trifft Ödön von Horvath wieder, den grossen Dramatiker und Autor des Romans «Jugend ohne Gott».
Mit ihm hat sie in Wien eine leidenschaftliche, aber ungut endende Liebesbeziehung erlebt. In Paris verbringen sie zusammen eine letzte Nacht, die auch als die letzte Nacht in Ödön von Horvaths Leben sein sollte. Am nächsten Morgen wird er auf den Champs-Elysées von einem herabstürzenden Ast erschlagen.
Die Tragik des Krieges
Der Autor der «Geschichten aus dem Wienerwald» ist nur einer von vielen, die das Exil nicht überleben. Nach ihm sterben die Dichter und Schriftsteller Ernst Weiss, Karl Einstein und Walter Hasenclever, die sich das Leben nehmen, ausserdem Joseph Roth, der sich zu Tode säuft.
Dazu kommen all die anderen deutschen und österreichischen Intellektuellen, die anderswo ihr Leben lassen: Carl von Ossietzky im Konzentrationslager, Kurt Tucholsky in Schweden, Ernst Toller in den USA.
Sie alle ehrt und verewigt Walter Mehring in seinem Gedicht «In Memoriam». Zu Silvester 1940/41 sendet er es von Marseille aus an Hertha Pauli, die zu diesem Zeitpunkt schon in New York in Sicherheit ist.
Kein Ausweg in Sicht
Aber zurück nach Marseille. Marseille ist der furchtbare Höhepunkt ihres Buches. Die einzige Hafenstadt Vichy-Frankreichs wird zur Falle für die Flüchtenden. Ganz egal, ob man nun ein Visum für ein anderes Land hat oder nicht, ein Ausreisevisum aus Vichy-Frankreich ist nicht zu bekommen.
Zu sehr ist das Regime von Deutschland abhängig. Zu gross sind die deutschen Begehrlichkeiten, die Flüchtenden doch noch zu belangen.
Eine ungewöhnliche Rettung
Es braucht schon die Initiative Thomas Manns, um Hertha Pauli und ihre Freunde zu retten. Offenbar interveniert er vom amerikanischen Exil aus bei der Präsidentengattin Elinor Roosevelt. Mit Erfolg, wie es scheint.
Nur kurze Zeit später taucht ein gewisser Varian Fry in Marseille auf, der einem sogenannten «Emergency Rescue Committee» vorsteht, das auf unbürokratische Weise über 2000 Menschen aus Marseille herausholt.
Unter ihnen Hertha Pauli, Walter Mehring, Carl Frucht und die Werfels. Aber auch Marc Chagall, Lion Feuchtwanger, Golo Mann, Alfred Polgar und viele andere werden befreit.
Neubeginn in Übersee
Hertha Pauli landet am 12. September in New York. Sie passt sich schnell an die neue Situation an, lernt Englisch und ein Jahr später schreibt sie bereits in englischer Sprache.
Ihr Heimatland Österreich besucht sie nach dem Krieg nur noch selten. Und wenn, dann nur, um Vorträge über ihre berühmten Freunde Ödön von Horvath oder Joseph Roth zu halten.
Über sich und ihr Leben redet sie kaum. Sie wird auch kaum danach gefragt. Schön also und ausserordentlich lobenswert, dass jetzt dieses Erinnerungsbuch noch einmal neu erscheint. Es ist höchste Zeit, dass Hertha Pauli für ihre eigenen Leistungen gewürdigt wird.