Sie erzählt frisch und direkt aus dem Leben junger irischer Collegestudenten: Sally Rooneys Debütroman «Conversations with Friends» handelt von Poetry-Slam-Parties, weinseligen WG-Gesprächen und Semesterferien in einem Ferienhaus in der Bretagne.
Beim Lesen wird schnell klar: Rooneys Debüt ist nicht einfach ein weiterer Coming-of-Age-Roman. Die Irin beherrscht es, menschliche Beziehungen und Verstrickungen bis ins Detail zu sezieren. Was die Figuren sagen, wie sie es sagen und vor allem auch was sie auslassen, verrät viel über sie.
Was wir uns erzählen
Das Buch lebt, wie der Titel erwarten lässt, von den Gesprächen. Sally Rooney gibt sie ohne Satzzeichen wieder und reiht analoge Gespräche an Telefongespräche und Chatverläufe. Geredet wird über Geld, über Politik, über Kapitalismus, über Privilegien als weisse Mittelschicht und immer wieder über Freundschaft, Liebe und das ganze Spektrum dazwischen.
Es sind Themen, die die 20-jährige Protagonistin Frances und ihre beste Freundin Bobbi beschäftigen. Beide studieren Geisteswissenschaften am prestigeträchtigen Trinity College in Dublin. Das prägt ihre Art zu denken und sich auszudrücken – und sie treten gelegentlich als Spoken Word Performerinnen zusammen auf.
Alternativmodelle der Liebe
In der Schule waren Frances und Bobbi einmal ein Paar. Die lesbische Ex-Beziehung, die sich zu einer Freundschaft ausgewachsen hat, wird so beiläufig erwähnt, als handle es sich um eine Beziehung wie jede andere.
Eher pflegen die beiden eine Art Argwohn gegen konventionelle Mann/Frau-Beziehungen; mit der Ungleichheit zwischen den Geschlechtern haben sie sich schliesslich auseinandergesetzt.
Eine verbotene Affäre
Doch dann machen sie Bekanntschaft mit Melissa, einer 37-jährigen Journalistin, die einen Artikel über die Slam-Künstlerinnen machen will. Melissa lädt die jungen Frauen zu sich ein. Dort lernen sie Melissas Ehemann Nick kennen.
Die vier verstehen sich gut, eine Freundschaft entsteht. Im Laufe der Geschichte verliebt sich Frances in den verheirateten älteren Mann. Das Verbotene ihres Verhältnisses ist berauschend wie belastend und kreiert eine eigenartige Dynamik zwischen Frances und Nick, aber auch zwischen den Freunden um sie herum.
Scham, Schuld und Vertrauen
Packend ist, wie Sally Rooney dieses Szenario mit grosser emotionaler Intelligenz zu Ende denkt.
Weder Frances noch Nick sind skrupellos. Frances fühlt sich durchaus schuldig. Sie ist durchdrungen von Scham, nicht nur gegenüber Nicks Ehefrau und Bobbi, sondern auch gegenüber sich selbst, die sich plötzlich in der Rolle der jungen, bedürftigen Affäre eines wohlhabenden älteren Mannes sieht.
Man erfährt aber auch, was für Gefühle sie für einander hegen, leidenschaftliche und überfordernde, und wie dieses Geheimnis sie verbindet aber auch trennt, weil niemand sich traut, die Gefühle für den anderen zu zeigen. Das ist psychologisch komplex und gleichzeitig hochspannend. Man will das Buch gar nicht mehr aus den Händen geben.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur aktuell, 20.8.2019, 17:20 Uhr