Erzählungen aus den letzten 20 Jahren: Mit seinem neuen Buch «Malinois» macht der erfolgreiche Theaterautor, Romancier und Essayist Lukas Bärfuss klar, dass er auch die Anlagen zu einem erstklassigen Erzähler hat.
Intimität und Zeitkritik
Was den Erzählungen des Schweizer Büchnerpreisträgers eigen ist: Der Dramatiker, der in wenigen Strichen Szenen und Figuren entwerfen kann und die Kunst der Dialoge beherrscht, ist in den Erzählungen und Erzählskizzen genauso präsent wie der Essayist, der gern auch abstraktere Reflexionen in die Geschichten einbaut.
Lukas Bärfuss kann selbst im Intimsten zeitkritisch sein und umgekehrt in der Zeitkritik auch intim. Die Liebe in unterschiedlichsten Spielarten zieht sich tatsächlich durch viele Texte dieses Bandes. Auch die Liebe, die von der Gesellschaft nicht verstanden oder goutiert wird.
Im Rausch der Sprache
Mehrere Erzählungen handeln von gefährdeten, mittellosen, gestrandeten Existenzen. In einer Erzählung kehrt einer an den Bürgerort zurück. Und zwar nur, weil er gehört hat, diese Gemeinde müsse für ihn aufkommen, wenn er es selber nicht mehr könne.
In «Haschisch» schildert Bärfuss eine verschworene Bande von passionierten Haschischrauchern, die sich als «Athleten» im Berauschtsein verstehen. Der Erzählton ist wie bei Friedrich Glausers «Gourama» eigenwillig, schwerelos, fast halluzinierend.
Schöpfen aus dem Privaten
Lukas Bärfuss selbst hatte es in seiner Kindheit und Jugend nicht leicht gehabt und schöpft in den intimeren Passagen seiner Texte auch aus eigenen Erfahrungen. «Jede Literatur», heisst es im Buch einmal, «sollte zuerst vom gelebten Leben erzählen».
Dennoch würde es in die Irre führen, die Erzählungen lediglich auf Autobiographie hin zu lesen. Sie reichen weit über die private Lebensgeschichte von Bärfuss hinaus.
Mechanik der Heimsuchungen
In der Titelgeschichte «Malinois», der wohl dichtesten Geschichte des Buches, geht der Erzähler der Frage nach, warum gewisse Dinge ungefragt Erinnerungen bleiben und anderes vergessen geht. Warum oft schreckliche Erinnerungen haften bleiben und Anderes, durchaus Schönes, vergessen geht.
Das, was Bärfuss erzählerisch durchdringen will, ist die «Mechanik der Heimsuchungen», das, was im eigenen Leben nicht aufgeht. Was man sicher sagen kann: Lukas Bärfuss’ erster Erzählband bleibt trotz einzelner Gelegenheits- und Verlegenheitsarbeiten haften.