Salman Rushdie hat sich mit seinem Werk «Die satanischen Verse» an dem Buch vergriffen, das im Islam unantastbar ist: am Koran. Er schrieb über den Propheten Mohammed, im Buch Mahound genannt. Er sei nicht nur Prophet, sondern auch geschickter Politiker und Opportunist gewesen.
Das war zu viel für den damaligen iranischen Ayatollah Khomeini. In seinen Augen bedeutete das eine unverzeihliche Ketzerei.
Nur ein Ablenkungsmanöver?
Am 14. Februar 1989 rief er in einer Fatwa, einem Rechtsgutachten, die Muslime aller Welt dazu auf, Salman Rushdie umzubringen. Und das, obwohl er «Die satanischen Verse» zu Beginn gar nicht ernstgenommen hatte. Khomeini fand das Buch lediglich dumm.
Die Fatwa sprach er erst aus, als es Massenproteste gab. Khomeini versuchte vermutlich, sich durch die Fatwa als Fürsprecher aller Muslime zu profilieren.
Hinzu kam, dass damals gerade der blutige Krieg gegen Irak zu Ende gegangen war. Der Waffenstillstand war nicht vorteilhaft für den Iran – und die Fatwa ein probates Mittel von Khomeini, beim iranischen Volk von der Sinnlosigkeit dieses Kriegs abzulenken.
Kopfgeld von vier Millionen Dollar
Nach der Fatwa wurde weiter gegen Rushdie protestiert. «Ein Teufel ist er, der Leibhaftige selbst. Wir alle denken so. Wir sind wahre Muslime. Wenn wir die Möglichkeit hätten, täten wir bestimmt, was der Ayatollah sagt», sagte beispielsweise ein aufgebrachter Teilnehmer einer Demonstration in Grossbritannien.
Nicht nur das Urteil des Ajatollahs dürfte zu solchen Aussagen beigetragen haben, sondern auch das Kopfgeld. Es wurde mehrere Male erhöht und liegt aktuell bei rund vier Millionen Dollar.
Das Todesurteil gegen Rushdie ist immer noch aktiv. Denn: Es kann nur von dem zurückgezogen werden, der es verhängt hat. Und das ist Ayatollah Khomeini. Nur starb dieser kurz nach der Fatwa. Darum gilt sie auch heute noch.
U-Bahn-Fahren geht wieder
Es ist davon auszugehen, dass der Iran keinen Mord mehr plant – das würde das Land international noch mehr in die Isolation treiben. Allerdings: Ein religiöser Fanatiker, der Rushdie umbringen will, könnte sich grundsätzlich noch immer auf die Fatwa berufen.
Rushdies Leben veränderte sich danach dramatisch. Er bekam als Feindbild der Muslime immer wieder Todesdrohungen. Porträts von ihm wurden bei Protesten verbrannt.
Rushdie musste sich einen Decknamen zulegen, seinen Wohnsitz ständig wechseln und war jahrelang auf den Schutz von Scotland Yard angewiesen.
Bis zum heutigen Tag ist der Autor eine umstrittene Figur, verehrt von Intellektuellen rund um den Globus und gleichzeitig immer noch Persona non grata für viele Muslime.
Die ganz grosse Aufregung hat sich zwar gelegt. Kürzlich sagte er, dass er nun wieder viel freier sei, dass er sogar U-Bahn fahre. Die Geschichte hat Salman Rushdie in seiner Autobiografie «Joseph Anton» verarbeitet, die 2012 erschienen ist. Damals sagte er, er könne und müsse jetzt nach vorne schauen.