«Dies ist die Geschichte einer Rose, die noch nicht weiss, dass sie zum Mauerblümchen wird.» So lautet einer der ersten Sätze des Romans «Das synthetische Herz» von Chloé Delaume. Schon mit diesem Satz wird deutlich: Die Erzählstimme in diesem Buch kennt kein Pardon. Schonungslos stellt sie die Hauptfigur bloss.
Die Hauptfigur ist Adelaïde Berthel, 46 Jahre alt und frisch geschieden. Sie war daran gewöhnt, in Paris in einer grosszügigen Altbauwohnung zu leben. Nun bezieht sie ein 35-Quadratmeter-Apartment. Mehr kann sie sich allein nicht leisten. Eckdusche statt Badewanne. Einen begehbaren Kleiderschrank hat sie auch nicht mehr.
Träumen von der grossen Liebe
Thema dieses Romans ist das, was ihre Freundinnen das «Heiratsjucken» nennen. Denn Adelaïde wünscht sich nichts sehnlicher als einen neuen Partner. Alles, was sie tut, tut sie mit der Absicht, einen Mann zu finden. Sie stylt sich, geht aus und liest Studien, um herauszufinden, wo die meisten Paare aufeinandertreffen.
Adelaïde wird regelrecht besessen. Immerzu hält sie die Augen offen. Doch schon bald muss sie erkennen: In ihrem Alter wird sie von Männern nicht mehr wahrgenommen. Die interessieren sich bloss für junge Schönheiten.
Männer und Frauen werden aufs Korn genommen
Der Roman «Das synthetische Herz» lässt sich als Beschreibung eines deprimierenden Frauenschicksals lesen. Wer schon einmal länger auf Partnersuche war, dürfte die Gedanken der Hauptfigur bestens nachvollziehen können.
Das Buch ist aber auch eine bitterböse Satire: Aufs Korn genommen werden Männer mit einem begrenzten Blick, wenn es um Frauen jenseits der 30 geht. Zugleich kritisiert die Autorin aber auch sämtliche Frauen, die glauben, nur mit einem Partner an ihrer Seite seien sie vollwertig. Ein Appell an Frauen, ihr Glück lieber in sich selbst zu suchen.
Neben der obsessiven Partnersuche gibt es noch einen Handlungsstrang: Die Autorin Chloé Delaume führt den französischen Literaturbetrieb vor, zeigt ihn als völlig verkommene Branche.
Die Hauptfigur Adelaïde arbeitet als Pressereferentin in einem Verlag. Mit sämtlichen, oftmals lächerlichen Mitteln muss sie Schriftstellerinnen und Schriftsteller bekanntmachen. Möglichst viele Literaturpreise sollen sie einheimsen. Genau wie die Partnersuche ist auch Adelaïdes berufliches Bemühen nicht von Erfolg gekrönt. Ein Grosskonzern übernimmt ihren Verlag. Fortan muss sie Werbung für Bücher über Käse machen.
Ein origineller, eigenwilliger Text
Rigoros hat die Autorin Chloé Delaume ihr Konzept der Überzeichnung von Anfang bis Ende durchgezogen. Wer ihn liest, wird mit einem originellen und wirklich eigenwilligen Text belohnt: das Schicksal einer alleinstehenden Frau Mitte 40 in satirischem Gewand.