Britischer Preis, bulgarischer Roman, Zürcher Schauplatz: Der diesjährige International Booker Prize geht an Georgi Gospodinov für seinen Roman «Time Shelter».
Ausgangspunkt der Geschichte ist eine Klink für Demenzkranke in Zürich. Die Zimmer darin sind in verschiedenen Jahrzehnten des letzten Jahrhunderts eingerichtet.
Die Einrichtung hat ein klares Ziel: Die Patienten können darin in ihre Kindheit und Jugend zurückkehren – eine «Zeitzuflucht», wie der Roman auf Deutsch heisst. Die Klinik bietet eine Auszeit aus ihrem Leben, eine Erinnerung an die «gute alte Zeit». Bald jedoch wollen nicht nur die Patienten diese Möglichkeit nutzen, sondern auch Gesunde.
Brillant – oder gewollt konfus?
«Ein ausgefuxter Erzähler», meinte die Literaturkritikerin Daniela Strigl im SRF-«Literaturclub» vor einem Jahr. «Gewollt konfus», hielt Kollege Martin Ebel dagegen.
So uneins der «Literaturclub», so eindeutig die Vorsitzende der Booker-Prize-Jury, Leila Slimani: «Es ist ein brillanter Roman voller Ironie und Melancholie. Ein tiefgreifendes Werk, das sich mit einer sehr aktuellen Frage beschäftigt: Was passiert mit uns, wenn unsere Erinnerungen verschwinden?» Zugleich biete das Buch neue Perspektiven auf Länder wie Bulgarien, die einst im Mittelpunkt des ideologischen Konflikts zwischen Kapitalismus und Kommunismus standen.
Den Preis von 50’000 Pfund teilen sich der Gewinner und die Übersetzerin, Angela Rodel. Der britische Literaturpreis geht seit 2016 jedes Jahr an einen fremdsprachigen Roman, der ins Englische übersetzt und im Vereinigten Königreich veröffentlichten wurde.