Wie findet man als Jugendlicher seinen Platz in der Welt? Erst recht, wenn man aus seiner Heimat flieht und in ein anderes Land verpflanzt wird?
Der Roman «Hund Wolf Schakal» beschreibt das Aufwachsen eines iranischen Jungen auf den Strassen von Berlin-Neukölln. Das Quartier ist bekannt aus Reportagen über schwierige Integration oder als Schauplatz der Serie «4 Blocks».
Hartes Pflaster
Der Debutroman von Behzad Karim Khani begibt sich in dieses Milieu, um eine harte Geschichte zart zu erzählen. Das Buch ist mitreissend geschrieben, eine differenzierte Auseinandersetzung mit dem Thema, wie es nur gute Literatur kann. Die Motive sind ähnlich wie in der Mafiaserie, doch hier werden sie kunstvoll erzählt – mit einem ganz eigenen Sound.
Es ist die Geschichte von Saam, einem sensiblen Jungen, der zum Kriminellen wird. Er landet Mitte der 1980er-Jahre in Berlin, weil die Familie den Wirren nach der iranischen Revolution entfliehen muss.
In West-Berlin – zunächst noch mit Mauer – hausen sie in zerfallenden Mietbaracken. Der Vater, ein Intellektueller, schlägt sich als Taxifahrer durch. In Neukölln kommt Saam wegen schlechter Sprachkenntnisse auf die Hauptschule.
Er und sein jüngerer Bruder müssen sich zwischen arabischen Jugendlichen behaupten. Sie wachsen in einer Atmosphäre auf, die bestimmt ist von Gewalt, von Zeichen der Macht und Dominanz.
Der Stärkere gewinnt
«Hund Wolf Schakal» beschreibt, wie es auf der Strasse und in Kneipen um Millimeter der Machtverschiebung geht. Spiele sind nicht einfach Spiele. Der Roman hat viele brutale Szenen. Diese gehören zum Alltag auf einem Pflaster, wo sich stets der Stärkere behauptet.
«Hier umarmten und erschlugen sie einander beiläufig. Ohne Ursache. Ohne Wirkung», schreibt Behzad Karim Khani gleich am Anfang. Heftige Szenen werden differenziert gezeigt, in einer Sprache, die Brutales mitunter mit grosser Zartheit beschreibt.
Literarisches Kunstwerk
«Hund Wolf Schakal» ist ein rasant geschriebener Roman über gescheiterte Integration. Man spürt direkt und hautnah, was versäumt wurde beim Zusammenleben von angestammter und eingewanderter Bevölkerung.
Besonders reizvoll ist die Sprache, die Behzad Karim Khani wählt. Sie macht dieses Buch zum literarischen Kunstwerk. Dabei entspricht die Mixtur aus Härte und Zartheit dem Charakter der Hauptfigur.
Ein melancholischer junger Mann, der in seiner Situation zum Monster wird, zum Verlorenen unter Verlierern. Um seine Würde zu bewahren, muss Saam kriminell werden. Dies lässt uns der Roman körperlich spüren. Einfach, bildreich und poetisch erleben wir, wie Saam heranwächst – analog zu seiner Polizeiakte.
Immer wieder blitzt ein magischer Realismus durch, etwa wenn der Kloss in seinem Hals als Figur auftritt: Wenn sich die Hauptfigur aus demütigenden Situationen verabschieden will.
Bekannte Welt
Behzad Karim Khani ist selbst als junger Mann aus dem Iran nach Deutschland gekommen. Er kennt die Welt, über die er erzählt. Im Interview mit dem Literatur-Podcast «Dear Reader» sagt er: Vielleicht ist seine Figur Saam das, was aus ihm womöglich geworden wäre, wenn ihm nicht 20 bis 30 Kilo Muskeln gefehlt hätten.
Sein Debut gehört zum Aufregendsten, Erhellendsten und Humorvollsten, was die Literatur in diesem Jahr zu bieten hat.