8. November, 1939, kurz nach 21:15 Uhr. Im Festsaal des Münchner Bürgerbräukellers detoniert per Zeitzünder eine Bombe. Die Decke stürzt ein. Acht Menschen sterben, 63 werden verletzt.
Die Bombe hatte Adolf Hitler gegolten. Doch er entgeht dem Anschlag knapp. Vor 2000 Zuhörenden hat er eine Rede gehalten und dann den Saal ein paar Minuten früher als geplant verlassen. Kurz vor dem Knall.
Gebaut hat die Bombe der 36-jährige Johann Georg Elser, ein einfacher Schreiner von der Schwäbischen Alb im deutschen Württemberg. Sein Attentat ist eines von über 40, die erfolglos auf Adolf Hitlers verübt wurden.
Er wollte den Krieg verhindern
Doch Georg Elsers Anschlag sei einzigartig, sagt der deutsche Historiker Wolfgang Benz, der eine neue Biografie über den Attentäter geschrieben hat: «Georg Elser ist sehr früh zur richtigen Einsicht gelangt, dass der Nationalsozialismus ein Menschheitsunglück ist.» Und dass Hitlers Tod den Krieg hätte verhindern können.
Elser fasst den Entschluss zum Tyrannenmord im Herbst 1938, lange vor dem Anschlag vom 20. Juli 1944 durch Claus Schenk Graf von Stauffenberg. Der ist zum Zeitpunkt von Elsers Tat noch ein strammer Nazi-Anhänger.
Georg Elser sei «eher apolitisch» gewesen, sagt Wolfgang Benz. Er sei von einem «christlich geprägten Gerechtigkeitssinn» getrieben gewesen. Und von einem «tiefen Pazifismus».
«Die Zielstrebigkeit, mit der Elser seine Tat völlig auf sich allein gestellt geplant und durchgeführt hat, ist beeindruckend», sagt Benz. Fehlendes Wissen, etwa wie eine Bombe per Zeitzünder zur Explosion gebracht wird, habe sich der Handwerker selbst erarbeitet.
Ein Opfer gegen Millionen
Elser habe aber auch Glück gehabt, dass er nie aufflog. Besonders als er sich über Wochen nachts heimlich im Münchner Bürgerbräukeller einschliessen lässt und dort jene Steinsäule aushöhlt, vor der Hitler sprechen wird. Und in der er schliesslich seine Bombe deponiert.
«Dass er am Ende scheiterte, war Pech», sagt Benz. «Es hätten vielleicht viele Millionen Menschen gerettet werden können, wenn das Attentat geglückt wäre.»
Die Polizei fasst Elser am 8. November 1939, am Abend des Attentats. Sie steckt ihn ins KZ. Die SS tötet ihn kurz vor Kriegsende.
Fast vergessen von den Geschichtsbüchern
Georg Elser ist für Wolfang Benz «eine herausragende Figur». Dennoch steht er bis heute im Schatten von bekannten Hitler-Gegnern wie Stauffenberg oder den Geschwistern Scholl. Warum?
Elser hatte nach dem Krieg keine Lobby, die sein Andenken hochhielt. So verwies etwa die Kirche nach 1945 gerne auf Widerständler wie den Theologen Dietrich Bonhoeffer. Auch, um vom eigenen Versagen abzulenken.
Auch blieb Georg Elser lange über den Krieg hinaus das Opfer verschiedener Verschwörungsmythen: Er sei ein Werkzeug des britischen Geheimdienstes und deshalb ein Verräter an Deutschland gewesen. Oder – ebenso absurd – er habe im Auftrag der SS gestanden, die das Attentat geplant habe, um «Hitlers besonderen Schutz der Vorsehung» vorzuführen.
Die deutsche Gesellschaft hat sich laut Wolfgang Benz vor Elser «insgeheim auch geschämt». Weil der einfache Handwerker die richtigen Schlüsse gezogen habe, «als die Mehrheit Hitler noch zujubelte».
Elser dachte so, wie Millionen hätten denken sollen. Wenn nicht hätten denken müssen.