Seit 48 Jahren finden jedes Jahr im Juni die «Tage der deutschsprachigen Literatur» im österreichischen Klagenfurt statt – auch bekannt als Wettlesen um den Ingeborg-Bachmann-Preis. Der Preis ist mit 25'000 Euro dotiert und zählt zu den renommiertesten Literatur-Auszeichnungen im deutschsprachigen Raum.
Dieses Jahr treten acht Autorinnen, fünf Autoren und eine nicht-binäre Person gegeneinander an. Sie sollen die Jury mit einem bislang unveröffentlichten Text überzeugen.
Aus der Schweiz nehmen Semi Eschmamp, Jurczok und Sarah Elena Müller teil. Alle drei sind Multitalente, die neben der Literatur auch in anderen Kunstsparten arbeiten.
Semi Eschmamp: Der (bislang) Unbekannte
Semi Eschmamp dürfte der bislang unbekannteste Schweizer Teilnehmende sein. Seine Texte sind aberwitzig, skurril, und stets ziehen sie Alltägliches ins Absurde. Eschmamp ist 1976 in Thalwil am Zürichsee geboren. In Bern hat er darstellende Kunst studiert. Seit fast 20 Jahren lebt er in Berlin, wo er als Schauspieler im Theater-, Film- und Synchron-Bereich arbeitet.
Eschmamp hat bislang zwei Bücher veröffentlicht und auch illustriert. Die Bücher mit den Titeln «Mein erstes Buch schreib ich gleich selbst» (2017) sowie «Semi Eschmamp vs. Borisblaschko: Mein Vorbar ist auch mein Nachbar» (2020) sind beide im Luzerner Verlag «Der gesunde Menschenversand» erschienen.
Um am Bachmann-Wettbewerb teilnehmen zu können, muss man von einem Jurymitglied eingeladen werden. Eschmamp liest auf Einladung der «SRF-Literaturclub»-Moderatorin Laura de Weck, die dieses Jahr erstmals der Jury angehört.
Jurczok: Das Spoken-Word-Urgestein
Er gilt als einer der Spoken-Word-Pioniere der Schweiz. Seit 1996 tritt er unter dem Namen «Jurczok 1001» auf. Sein bürgerlicher Name lautet Roland Jurczok. Er kam 1974 in Wädenswil zur Welt und lebt in Zürich. Jurczok hat Germanistik und Ethnologie an der Universität Zürich studiert. Zunächst spielte er in mehreren Bands, mit der Zeit rückte dann die Wortkunst ins Zentrum seiner kreativen Arbeit.
Seine Auftritte bewegen sich zwischen Rap, Spoken Word und Gesang. Nicht selten sind seine Texte politisch, vor allem gegen rechts. Oft verfasst er aber auch Lyrisches, Humorvolles, Satirisches, oder er tobt sich wortspielerisch aus. Jurczok arbeitete mehrere Jahre lang mit der Autorin Melinda Nadj Abonji zusammen und trat mit ihr auf. Zum Wettbewerb eingeladen wurde Jurczok von Jurymitglied Thomas Strässle.
Sarah Elena Müller: Die Senkrechtstarterin
In der Schweizer Literaturszene legte Sarah Elena Müller im vergangenen Jahr einen Senkrechtstart hin: Mit ihrem Debüt-Roman «Bild ohne Mädchen», erschienen im Limmat-Verlag, war sie prompt für den Schweizer Buchpreis nominiert. Der Roman handelt von einem Mädchen, das sexuell missbraucht wird. Viele im Dorf ahnen das, doch keiner will es wahrhaben, keiner spricht es an. Ein beklemmendes Buch, in dem es Müller gelungen ist, Sprachlosigkeit in Worte zu fassen.
Sarah Elena Müller ist Jahrgang 1990. Aufgewachsen in Amden, lebt sie heute in Bern. Sie hat Kunst studiert und ist nicht nur literarisch, sondern auch musikalisch unterwegs – mit dem Spoken-Pop-Duo «Cruise Ship Misery». Auch Hörspiel-, Virtual-Reality- und Performance-Projekte realisiert sie. In Klagenfurt wird Sarah Elena Müller auf Einladung des Jurors Thomas Strässle lesen.