Wenn Sie Romane lesen, entsteht dazu dann gleich der Film in Ihrem Kopf? Lesen Sie «visuell»?
Stephanie Japp: Ich überlege beim Lesen nicht gleich, ob die Geschichte in einem Film ungesetzt werden kann. Ich bin eine emotionale Leserin und lese stark aus den Figuren und Charakteren heraus. Oft höre ich Töne, rieche und sehe Bilder vor mir. Eigentlich lese ich in 3D. Mich fasziniert Literatur, die es schafft, alle Sinne anzusprechen. Oft bleibe ich auf einer Seite stecken, weil es mich schlicht überwältigt. Aber ich kann schlecht diagonal lesen.
Als Filmschauspielerin müssen Sie viele Drehbücher lesen – ist das für Sie Arbeit, und Literatur das Vergnügen?
Es macht auch Spass, gute Drehbücher zu lesen. Aber im Prinzip kann man das so sagen.
Was ist Ihr Verhältnis zur Literatur?
Ich liebe es, zu lesen. Ich lese meinen Kindern viel vor, Literatur sollte in meinem Leben jeden Tag Platz haben – das ist manchmal schwierig einzurichten, aber ich versuche es.
Sie haben sich als Gast im aktuellen Literaturclub für einen wenig bekannten Roman entschieden: «Ich komme» von Emmanuelle Bayamack-Tam. Wie sind Sie darauf gekommen?
Zunächst bin ich immer auf der Suche nach Autorinnen. Mich interessiert der Blickwinkel von schreibenden Frauen, und ich möchte Frauen in der Literatur unterstützen. Ausserdem habe ich zwei Jahre in Paris gelebt und bin frankophil. Frankreich war ja dieses Jahr Gastland an der Frankfurter Buchmesse und als ich dieses Buch dann in einer meiner Lieblingsbuchhandlungen in Berlin entdeckt habe, passte alles.
Warum kein «sicherer» Wert?
Ich finde, der Literaturclub darf auch Bücher bringen, die noch nicht so bekannt sind. Man muss natürlich mit Kritik und Kontroversen rechnen. Aber das ist die Voraussetzung für ein spannendes Gespräch. Das Buch besitzt eine sehr theatralische, filmische Qualität, die mich angesprochen hat.
Sie haben in «Private Banking» als Hauptdarstellerin eine starke und gleichzeitig verletzliche Präsenz. Wie wirkte das Drehbuch zu Private Banking auf Sie bei der Erstlektüre?
Ich war fasziniert und sehr erfreut. Ich werde ja im Ausland sehr häufig auf die Schweizer Banken angesprochen – das Thema taucht sofort auf, wenn von der Schweiz die Rede ist. Doch das Thema ist viel weiter gesteckt: es geht auch um Erbschaft und Familie, um Herkunft. Ich fand zudem den Blickwinkel dieser Frau sehr spannend, die von aussen in diese Bankenwelt hineingezogen wird und sich dabei grundlegend verändert.
Was machen für Sie gute Texte aus, seien es Drehbücher, Theaterstücke oder Literatur?
Mich interessiert alles, was «neu» ist. Zugegeben, das ist heute schwierig. Aber für mich braucht es zumindest einen neuen Aspekt, einen neuen Zugang zu einem Thema. Gerne entdecke ich Geschichten aus Ländern, die ich nicht kenne. Und dann braucht es eine fesselnde Sprache. Aber am liebsten lasse ich mich überwältigen von emotionaler Wucht.
Das Gespräch führte Christa Miranda.