Es ist wieder da – das Icon mit dem roten «E». Es pulsiert auf Nicks Handydisplay, als er gerade zu einer Hochzeit als Hobbyfotograf unterwegs ist. «E» steht für ein Game namens «Erebos». Ein ungewöhnlich interaktives Game.
Die virtuelle bestimmt die reale Welt
Der 26-jährige Nick hat Erfahrung mit «Erebos» – vor zehn Jahren hat er es schon einmal gespielt und ist es kaum wieder losgeworden. Damals musste man Aufträge in der Realität erledigen, um einen höheren Level zu erreichen. Erst spät merkten Nick und seine Freunde, dass hinter «Erebos» ein ausgeklügelter Plan steckte, der nichts Gutes im Sinn führte.
Jetzt also ist das Game zurück – und als Update viel perfider angelegt: «Erebos» sieht und hört nun alles und schaltet sich überall mit ein. So werden zum Beispiel Nicks Fotos völlig verunstaltet, als er sich weigert zu spielen.
Keine Lust auf Fantasy
Ein Jugendthriller über ein Game – ihr Umfeld hat Ursula Poznanski ursprünglich auf die Idee gebracht: «Einerseits habe ich schon lange einen Weltenwechsel-Roman schreiben wollen, wie das in der Fantasy häufig vorkommt. Einer steigt in einen Schrank und ist plötzlich in einer anderen Welt», sagt die österreichische Autorin.
«Andererseits wollte ich das ohne Fantasy machen und dazu ist mir nichts eingefallen. Doch dann habe ich mit einem Bekannten über ein Online-Game gesprochen und mir gedacht, wie könnte ich das Game spannender machen?» Die Antwort darauf ist «Erebos». Realität und das Game beginnen sich zu vermischen.
Erfolgreicher erster «Erebos»-Band
Die Geschichte kam an: 2011 wurde Ursula Poznanski für «Erebos» mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnet. Trotz Grosserfolg war für sie lange klar: Eine Fortsetzung wird es nicht geben.
Warum denn nun doch? «Bei Lesungen mit dem ersten Band habe ich gemerkt, dass Beängstigendes von damals heute normal ist. Da habe ich mir überlegt, was wäre, wenn das Spiel einen zwingt, weiterzuspielen? So könnte ich die Geschichte nochmals anders erzählen». Das Mittel dazu war schnell gefunden: «Die Neuen Medien können so vieles, ich denke die Möglichkeiten einfach weiter.»
Das Spiel hört mit
«Erebos» benutzt im zweiten Band «Ransomware», Spionage-Software: Damit klinkt es sich in das System der Überwachungskameras in London ein. Über die Mikrofone der Smartphones horcht es die Spielenden aus und spricht mit ihnen.
Einer von ihnen ist Derek, ein 16-jähriger Schüler in London. In der Gamewelt ist er ein Vampir, der sich Torqan nennt. Als Torqan in der Spielwelt schwer verletzt wird, kommt ein Bote und bietet ihm Rettung an – wenn er in der Realität Aufträge erledigt. So muss er zum Beispiel einen Pullover unter eine bestimmte Parkbank legen. Oder einen Aktenordner aus einem Fabrikgelände stehlen.
Natürliche gegen künstliche Intelligenz
Natürlich geht es der Autorin nicht nur ums Gamen an sich. Welchen Plan verfolgt «Erebos» dieses Mal? Das herauszufinden treibt einen förmlich durch den Roman. War es bei «Erebos» eine böse Absicht, so ist die Sache diesmal komplexer.
Letztlich dreht es sich bei «Erebos 2» um die Frage, ob der Zweck die Mittel heiligt. Und ob die natürliche Intelligenz es schafft, stärker zu sein als die programmierte künstliche Intelligenz. Wieder einmal trifft Ursula Poznanski damit den Nerv der Zeit.