Der Autor James McBride ist selbst in den «Projects», den Sozialwohnungen im Süden Brooklyns, aufgewachsen. In seinem Roman erfindet er dieses Milieu neu, in dem es jeden Tag ums Überleben geht und wo «jeder einen Grund hat, verrückt zu werden».
Das Jahr 1969, in dem der Roman spielt, fällt in eine Umbruchszeit der Ghettos. Der alternde Alkoholiker, Witwer und Dekan Sportcoat gehört noch zu jener Generation der Schwarzen, die aus dem Süden in die Metropolen des Nordens gezogen waren, um dem Rassismus zu entgehen. Der 16-jährige Dealer, den Sportcoact im Suff beinahe erschossen hätte, gehört zu einer neuen Generation, die in den Projects gross geworden ist und keine moralischen Bindungen mehr kennt.
Sprache als Energiezentrum
Sportcoat, der nun um sein Leben fürchten muss, ist das Epizentrum dieses Romans, der in jeder Hinsicht aus den Nähten platzt – ganz, wie es den beengten und explosiven Verhältnissen in Wohntürmen der Projects entspricht.
Alles an diesem Roman ist geradezu lustvoll überladen: Die Gefühle der Figuren, die Verwicklungen ihrer Beziehungen und auch manche Plot-Ideen – so taucht etwa die Venus von Willendorf als Weltkriegsbeute auf.
Das geheime Energiezentrum jedoch ist die Sprache. Über weite Strecken besteht der Roman aus leidenschaftlichen, verzweifelten, abgebrühten Dialogen.
Man weiss sofort, wer hier spricht – vorausgesetzt, man greift zum englischen Original. Auf Deutsch sprechen die Schwarzen nämlich so: «Du lügs», «Was sags du, Bruder?», «Hass du seine Turnschuhe gesehen?». Dieser hilflose Versuch, das African American English mit seinen Verschleifungen ins Deutsche zu bringen, verwandelt die Wirkung ins Gegenteil: Aus McBrides unverwüstlichen, cleveren Alltagshelden werden treuherzige, leicht beschränkte Kasperlefiguren.
Gesellschaftsanalyse der USA
«Der heilige King Kong» erzählt von den Widersprüchen einer Gesellschaft, in der der Rassismus so selbstverständlich ist wie seine Überwindung. Der irische Polizist Potts verliebt sich in die schwarze Sister Gee, die alte Mutter des italienischen Mafioso beschäftigt Sportcoat als Gärtner – dass er ein Schwarzer ist, spielt für sie überhaupt keine Rolle.
Und doch sei es hier kaum besser als im Süden, meint eine der starken Frauenfiguren: Man darf sich in der New Yorker Subway zwar neben die Weissen setzen, doch wenn man den gleichen Lohn verlangt, ist es mit dem Frieden vorbei.
Es gibt viele solcher Sätze, mit denen McBride den Rassismus der 1960er-Jahre auf den Punkt bringt. Musicals wie «West Side Story» machten mit ihrer verlogenen Darstellung schwarzen Lebens weisse Schreiber reich, so heisst es etwa, «während die Schwarzen und die Latinos die Wohnungen putzten, den Müll wegschafften, die Musik machten und die Gefängnisse mit Leid füllten.» Der Roman mag zwar 1969 spielen, doch in seiner Gesellschaftsanalyse erzählt er auch vom heutigen Amerika.