Der Kabarettist Dirk Stermann – die eine Hälfte des österreichischen Satire-Duos «Stermann & Grissemann» – war zu Gast im «Literaturclub». Hier verrät er, welches Buch ihn zum Lachen bringt. Was er seinen Kindern vorliest. Und was war da noch mit den Socken?
SRF: Gibt es für Sie so etwas wie einen bevorzugten Leseort?
Dirk Stermann: Ich lese tatsächlich am liebsten im Bett. Neben mir immer so ein Stapel. Ähnlich wie bei Kassiererinnen im Supermarkt, wo die Schlange ja auch nicht kürzer wird, sondern ewig nur länger.
Ich muss immer wieder mal Bücher lesen, die ich gar nicht würde lesen wollen. Und dieser Stapel muss immer abgearbeitet werden. Während daneben der Stapel, den ich lesen möchte, mich immer so anlächelt.
Mordecai Richler: so ein Schwadroneur. Den habe ich geliebt.
Haben Sie ein liebstes Buch?
Es gibt immer mal Autoren, die man wahnsinnig schätzt. Bei mir war das ewig lang Mordecai Richler. Ein kanadischer Autor, so ein Schwadroneur. Den habe ich geliebt. Der war damals in Österreich nicht sehr bekannt.
Ich bin dann nach Montreal gefahren und die Wege der Romane abgegangen. In einer Buchhandlung hing ein riesiges Plakat, auf dem stand: Mordecai Richler.
Da hab' ich gedacht: «Wow! The place to be!» Also er gehört auf jeden Fall zu meinen Lieblingsautoren.
Ein Buch, das die Liebe zum Lesen eröffnet hat?
Als ich zehn oder elf war, fand ich das Buch «Mein Bruder, der Torjäger» wahnwitzig gut. Das war geschrieben aus der Perspektive eines Buben, der so alt war wie ich.
Das Buch habe ich sicher 60 Mal gelesen. Und mein jüngerer Bruder hat dann irgendwann mal einen Fussballprofi-Vorvertrag bekommen bei MSV Duisburg – noch dazu meine Lieblingsmannschaft.
Dann habe ich gedacht: Jetzt wird alles wie im Buch. Das war toll.
Gibt’s ein Buch, das Sie immer wieder zur Hand nehmen?
Heutzutage lese ich alle paar Jahre mal wieder Walter Kempowski. Weil er mich und meinen Vater sehr verbunden hat. Mein Vater hat ihn gelesen und mir empfohlen.
Das war dann zum ersten Mal so, dass man gemerkt hat, dass man gleiche Dinge schätzt. Wenn ich heute Kempowski lese, sehe ich uns beide Kempowski lesen. Das ist eine schöne Reminiszenz.
Ein Buch, bei dem Sie laut lachen mussten?
Ich lache in der Regel nie laut. Aber ich musste wahnsinnig lachen bei Thomas Brussigs «Helden wie wir».
Österreich kann man eigentlich nicht begreifen.
Ein Buch ohne viel Text?
«Hier» heisst es. Ein wahnsinnig schönes Buch. Darin geht es immer um den gleichen Ort, über mehrere 100 Jahre. Es kommt ganz ohne Text aus. Braucht es auch überhaupt nicht.
Man ist wehmütig und ehrfürchtig vor der Natur. Und vor der Tatsache, wie kurz man selber nur da ist. Du stirbst, aber deine Socken bleiben. Das ist so tragisch.
Ein gutes Buch über Österreich?
Ich finde «Die Welt von gestern» von Stefan Zweig grossartig. Österreich kann man eigentlich nicht begreifen. Aber man kann versuchen, es zu begreifen aus der Geschichte heraus.
Aus der Monarchie, aus dem Weltreichdenken und -fühlen. Aus der Internationalität, die Österreich mal hatte.
Das Verloren-Haben dieses Grossen – und jetzt plötzlich sind wir so ein Mini-Mini-Land. Wo Wien noch immer so imperial ist, einfach ohne Imperium.
Ein Buch, bei dem Sie physisch gelitten haben?
«Tierreich» von Jean-Baptiste Del Amo, das ich gerade für den «Literaturclub» gelesen habe. Ich fand es zwar gut, dass es so geschrieben ist. Ich habe es aber kaum ausgehalten, körperlich.
Ich brauche eigentlich immer eine Art humoristischen Ausweg oder einen Leichtigkeits-Ausweg. Und den hat dieses Buch gar nicht geboten.
Eine Leseleiche? Ein Buch, das Sie niemals beenden?
«Austerlitz» von W.G.Sebald habe ich mal angefangen. Alle haben gesagt, es ist fantastisch. Ich habe es nicht ausgehalten.
Es ging ewig lang um die Beschreibung eines Bahnhofs. Ich gebe eigentlich nie auf bei Büchern. Aber das habe ich nicht ausgehalten und aufgegeben.
Ein Buch, das Sie gerne Kindern vorlesen?
«Das kleine Ich bin ich» von Mira Lobe. Das finde ich immer noch zum Vorlesen wahnsinnig toll. Es hat ein Reimschema, und das Kind wird dann so rhythmisch. Es macht irre Spass, und es ist ein superschönes Buch.
Das Gespräch führte Markus Tischer.