Am intensivsten liest Elisabeth Bronfen auf dem Crosstrainer. Warum die Literaturprofessorin und Kulturwissenschaftlerin dabei lieber zum «Dinner in French» statt dem «Zauberberg» greift, verrät sie im Gespräch.
SRF: Was ist Ihr liebstes Buch?
Elisabeth Bronfen: Das gibt es nicht. Weil sich das Lesen mit der eigenen Entwicklung verändert. Zu bestimmten Momenten in meinem Leben hätte es ein liebstes Buch gegeben. Das Œuvre William Shakespeares ist mir wichtig. Auch alles, was Hermann Melville geschrieben hat. Viriginia Woolf taucht mal auf, mal taucht sie wieder unter …
Wo lesen Sie am liebsten?
Ein paar meiner bevorzugten Leseorte sind Velo und Crosstrainer im Sportstudio. Wenn ich Belletristik lese, zu der ich nicht gerade arbeite.
Aus «Hope Leslie» könnte man auch einen grossartigen Disney-Film machen.
Erstens kann ich da die Qualität des Romans festmachen – denn ich merke, wie langsam oder schnell diese 45 Minuten vorbeigehen. Romane, die ich auf dem Crosstrainer gelesen habe, habe ich wahnsinnig intensiv im Kopf.
Ein Buch, das Ihre Liebe zum Lesen eröffnet hat?
Ich habe als Kind schon sehr, sehr viel gelesen. Uns ist auch viel vorgelesen worden. Was mir spontan einfällt, ist «Die kleine Dott» von Tamara Ramsey. Es handelt von einem kleinen Mädchen, das am Sankt-Johannis-Tag verzaubert wird und dann ein ganzes Jahr lang in der Welt herumreist.
Ich habe das später nie wieder gelesen. Aber ich weiss: Als ich das damals las, war es ganz, ganz entscheidend für mich.
Ein Buch, das Sie immer wieder zur Hand nehmen?
Ich denke mehr in Werken als in einzelnen Büchern. Ich lese immer wieder Edith Wharton. Beispielsweise «The Reef» (deutsch: «Das Riff»), das habe ich am liebsten. Aber auch andere Romane, beispielsweise «Age of innocence» (in der deutschen Ausgabe: «Zeit der Unschuld»).
Gibt es eine Leseleiche, ein Buch, das Sie einfach nicht zu Ende bringen?
«Der Zauberberg». Das hat mich irgendwann so furchtbar gelangweilt, dass ich damit aufhören musste.
Ein Buch, das man lesen sollte, um die USA zu verstehen?
Alexandre de Tocqueville: «Über die Demokratie in Amerika». Der Blick eines Fremden auf die damals junge Demokratie. Erstaunlich, wie treffend das heute immer noch ist.
Tocqueville war ein französischer Aristokrat, der die Französische Revolution mitbekommen hat und natürlich auch die amerikanische. Er ist mit sehr viel Vorbehalt in die USA gereist. Und musste dann zugeben, dass das, was er dort erleben musste, die Zukunft ist. Unglaublich scharfsinnig, wie er Dinge in Amerika erkennt, die dort schon so bekannt sind, dass niemand sie bemerken würde.
Ein Kochbuch, das Sie als Kochbuchautorin empfehlen können?
Meine grosse Liebe, die ich derzeit allen ans Herz lege: Melissa Clark, eine der Kolumnistinnen der «New York Times». Sie hat mehrere Kochbücher geschrieben. Eines davon heisst «Dinner in French». Sie kann nicht Französisch, aber sie kann Französisch kochen. Es gibt auch sehr komische kleine Filmchen mit ihr. Eine interessante Adaption französischer Küche für unsere Zeit. Und die Rezepte funktionieren immer!
Ein Buch, dem Sie mehr Leser wünschen?
«Die Strasse» von Ann Petry finde ich ganz grossartig! Und «Hope Leslie» von Catharine Sedgwick.
Alle kennen J.F. Cooper und seine «Lederstrumpf»-Romane. Aber «Hope Leslie» erzählt viel komplexer über die weissen Siedler und die Auseinandersetzung mit den Indigenen. Mit einer Figur, die lieber bei den Indigenen lebt als bei den Weissen. Ein grosses Melodram, ein toller Roman, der sich hervorragend liest. Aus dem man auch einen grossartigen Disney-Film machen könnte!
Das Gespräch führte Markus Tischer.