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Liebesbriefe Samuel Schwarz über eine unbequeme Zeitgenossin

Der Schweizer Theaterregisseur Samuel Schwarz bewundert die Texte der Schriftstellerin Marlene Streeruwitz. Sie sind aufmüpfig und verletzend ehrlich. Schwarz schreibt an die kritische Zeitgenossin – und macht ihr einen Vorschlag.

Liebe Marlene Streeruwitz,

ich habe nicht jeden Ihrer Romane gelesen. Aber die, die ich gelesen habe – «Jessica, 30», «Entfernung» und der jüngste Roman «Die Schmerzmacherin» – diejenigen also, die ich gelesen habe, die haben gereicht, um in mir eine Liebe zu Ihrem Werk zu entfachen.

Marlene Streeruwitz

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Legende: Keystone

Marlene Streeruwitz kam 1950 bei Wien zur Welt. Ihr Werk umfasst Theaterstücke, Romane, Novellen, Essays und Hörspiele und wurde mit diversen Preisen ausgezeichnet. Streeruwitz äussert sich regelmässig kritisch zum Zeitgeschehen.

«Die Schmerzmacherin» ist ein spannender Krimi, anders als Ihre vorherigen, und Sie führen uns darin in eine Sicherheitsfirma an der tschechisch-bayrischen Grenze. Der Roman ist gruselig, kalt und spannend. Die Sprache ist klirrend. Die Sätze zerbrochen. Sie beschreiben in «Die Schmerzmacherin», wie die Seele der Protagonistin von Kräften zerrieben wird, die durch Verschieben des Machtmonopols in Bewegung geraten sind. Das ist filmisch. Visionär. Nietzsche nannte diese Kälte, die in diesem Roman vorherrscht, halikonisch. Eine trockene Kälte. Eine unangenehme Zone. In der man zwar gut denken kann. Die aber tödlich ist, wenn man die falsche oder keine Kleidung trägt.

Sie durchschauen und beschreiben unsere moderne kalte Welt, aber nicht nur in Romanen. Immer wieder google ich, was Sie gerade sagen zu der österreichischen oder deutschen Wirklichkeit. Sie sind frech und sagen, was sich andere nicht trauen. Vom Stadttheaterbetrieb sagten Sie, er sei die Speerspitze der neoliberalen Ausbeutung, und man solle diese Theater schliessen und kleinere Zellen gründen, die die Macht nicht reproduzieren, sondern erforschen.

Und Sie sagten, dass man heute, um seinen Lebensunterhalt verdienen zu können, Kontrolleur werden muss. Geld gibt es also nur noch zu verdienen, wenn man andere zu kontrollieren lernt. Sie zeigen, wie uns das System subtil zurechtprogrammiert und wir unsere Lügen aufsagen lernen, damit uns das System was zu essen gibt. 

Audio
Der Liebesbrief von Samuel Schwarz, gelesen von Ueli Jäggi
aus Kultur kompakt vom 04.01.2013.
abspielen. Laufzeit 2 Minuten 56 Sekunden.

Hier sind Sie unerbittlicher und frecher – und brillanter – als Ihre viel angepasstere Kollegin Elfriede Jelinek. Die hat begriffen, dass man lächeln muss, wenn das Patriarchat angreift. Sie lächeln nicht. Sie ziehen das Laserschwert der Worte und kämpfen. Und übrigens: «Die Schmerzmacherin» muss unbedingt verfilmt werden. Mit Multimillionen-Budget. Von Haneke oder Polanski. Wobei… Polanski? Eventuell hätten Sie da einen Vorbehalt. Ich fände es aber spannend. Wenn Sie wollen, kümmere ich mich drum. Es ist keine Zeit zu verlieren.

Ihr Samuel Schwarz

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