Angefangen für Kinder zu schreiben habe ich erst nach vielen Jahren Theater mit Profis und für Erwachsene, ungefähr zu der Zeit, als meine Tochter geboren wurde. Ich finde es schön, wenn es mir gelingt, in der kindlichen Erlebniswelt wirkliche Persönlichkeiten zum Leben zu erwecken.
Es gibt schon so viele designte Charaktere in den Kinderköpfen heute, denen man von weitem anmerkt, dass sie aus keinem anderen Grund erschaffen wurden, als um daraus Profit zu schlagen: Kulleräugige Baumaschinen und Heldinnen in Rosa, die immer fliegen oder zaubern oder beides können, streng nach Geschlechtern getrennt. Funktioniert, ja.
Aber da lass ich doch mit grösstem Vergnügen einen «Jossi Zirbelzwack» auf Zwergenwalz seinem Gwunder folgen (Hörspiel, SRF 2008), «Saffran&Krump» in ewigem Streit herumpoltern (Theaterstück), die Rennschnecke «Tacho Karacho» um die Ecke schleimen (erst im Ideenstadium) und das Speuzmobil durch die Gegend rumpeln (Erzählung, SRF 2010 ). Und bringe damit das keimfrei polierte, etablierte Personal ein bisschen durcheinander.
Ein Anliegen habe ich immer
Als Vorbild für das besagte Speuzmobil diente übrigens unser Familienauto anno 1980, ein roter «R4 fourgonnette», in dem wir wahlweise neben der Familie drei Jungschafe, einen halben Hühnerstall und einen, dem Abdecker abgeluchsten kotzenden Hund über den Gotthard gefahren haben. Letzterer vergalt mir meine Assistenz in diesen schweren Stunden danach mit lebenslänglicher Anhänglichkeit. So schreibt ein Auto Familienlegenden. Und ich dann Ewigkeiten später eine Kinderhörgeschichte.
Bei «Dä Fips und dä Honk», der Hörgeschichte, die ich gerade abschliesse, ist das Anliegen ein bisschen vielschichtiger. Da entstanden zwei Figuren, Fips und Honk, ein Zwerg und ein Riese, beide aus der Norm gefallen, aus einer Gute-Nachtgeschichte, die ich für meine Kinder erfunden habe. Die wollten dann einfach nicht mehr von der Bildfläche verschwinden, tauchten immer wieder auf und wuchsen uns ans Herz.
Besondere Kennzeichen? ADHS!
Dann hatte ich einige Begegnungen mit Jugendlichen, bei denen ich schockiert war zu sehen, wie gefangen sie sich fühlen in den Normen, denen sie glauben, genügen zu müssen: Was läuft da falsch, wenn ein Jugendlicher mir in seinem Steckbrief unter «besondere Kennzeichen» schreibt: «ADHS und Lese-, Rechtschreib-Schwäche»?
Und schliesslich hatte ich schon lange Lust, eine Geschichte von zwei Stimmen erzählen zu lassen, die sich abwechseln, ergänzen, ins Wort fallen, aus dem Erzählen ins Jetzt fallen und gemeinsam eine Musik erschaffen, die selber auch eine Geschichte erzählt.
In der Schnittmenge dieser Interessengebiete hat die Hörgeschichte ihre Gestalt angenommen und freut sich jetzt auf die Regie, die Stimmen und die Musik, die sie weiter gestalten werden. Und auf die Kinder die sie hören, irgendwann.
Immer wieder Unbekanntes erkunden
Manchmal geht es mir ja schwer auf den Wecker, dass ich im Übermut bei jeder Geschichte immer gleich noch eine neue Form und Sprache dazu erfinden muss. Ich wäre ja langsam im Alter, in dem einem etwas Vernunft ganz gut stünde und man auch mal etwas Bewährtes wiederholen oder ein Genre perfektionieren könnte. Aber habe ich die Wahl zwischen «der sicheren Seite» und dem Neuland mit der Lizenz zum Scheitern, so ist letzteres eigentlich immer schon gewählt, wenn ich darüber nachdenke. Die Neugier setzt sich einfach immer durch.
Zu guter Letzt auf ein Neues
Zum Beispiel muss ich nach meinem ersten Arztroman-Hörspiel («Die Edenklinik - Heisse Herzen unter weissen Kitteln», SRF 2009) und meinem ersten Western («Er nannte sich Lassuter», SRF 2011) mit Hörspiel-Regisseur Geri Dillier den dritten Teil unserer Trivial-Trilogie fertigstellen. Das wird dann wohl mein erster Science Fiction. Aber vorher gehe ich noch zur Premiere meines ersten Schulmusicals. Und schreibe noch mein erstes Kinderopern-Libretto.
Tja. Sieht so aus, als würde ich noch eine Weile professionelle Anfängerin bleiben. Gibt’s was Schöneres?