«Bergsteigen im Flachland» ist ein Roman, der am Beispiel von Einzelschicksalen aufzeigt, was der Krieg im ehemaligen Jugoslawien für das Leben der Menschen bedeutet hat. Dem Autor gelingt dies plausibel, ohne dass er dabei Partei ergreift.
Falsche Ausrüstung
Hauptfigur ist der Reporter Thomas Steinhövel. Er reist in Europa umher und berichtet mit Vorliebe von Menschen, die – in Analogie zum Romantitel «Bergsteigen im Flachland» – mit falscher Ausrüstung im Leben stehen. So wie beispielsweise Aca Mandić: Der gebürtige Serbe lebt ohne Papiere in Russland im Exil. Zu Hause in Serbien droht im eine Haftstrafe wegen Kriegsdienstverweigerung. In Russland hat der studierte Linguist nur ein Schattendasein. Thomas Steinhövel begegnet ihm auf Reportagereise in Russland und verhilft ihm zu einem neuen, falschen Pass.
Das ist aber nur einer von vielen Protagonisten in Urs Mannharts Roman, die alle in diesem Widerspruch leben, mit falscher Ausrüstung am falschen Ort zu sein. Wie nun der Autor diese Einzelschicksale mit dem Leben seiner Hauptfigur, dem Reporter Thomas Steinhövel verbindet, ist ambitioniert, geradezu kühn. Denn die Romananlage ist komplex. Kapitelweise springt Mannhart von einer Figur zur andern, von einem Schauplatz zum andern, von einer Geschichte zur andern. Dabei den Überblick zu behalten ist nicht immer einfach.
Der Krieg und die Menschen
Doch die bildhafte Sprache, mit der Mannhart Menschen und Situationen beschreibt, ist der Kitt, der die Geschichten zusammenhält. Seine starken Bilder prägen sich ein, machen betroffen und lassen einen so schnell nicht mehr los. Da ist beispielsweise der Scharfschütze, der selber zum Gejagten wird. Oder der Serbe, der auf dem Weg nach Den Haag bereits in Serbien durch das Bombardement der NATO ums Leben kommt.
Ebenso einprägsam ist aber auch jene Szene in Baku, Aserbaidschan, in der Thomas Steinhövel in einer ärmlichen Spelunke eindeutig das falsche Getränk bestellt: Ein Glas Eistee, der dann aus Pulver und lauwarmem Leitungswasser serviert wird. Mit solchen tragischen oder komischen Szenen zeigt Urs Mannhart die Widersprüchlichkeiten des Krieges auf. Er spricht von Krieg und meint Menschen. Das ist beeindruckend und überzeugt.