Ich hatte mal einen dieser beschrifteten Ansteckknöpfe, auf dem stand: «Theatre is life. Cinema is art. Television is furniture.» Das ist eine Einteilung, die ich heute noch unterschreiben würde. Aber es stellt sich natürlich die Frage: Wo ist das Hörspiel auf dieser Skala einzuordnen?
Ich glaube: Es kommt vor allem darauf an, wie man es sich anhört. Es setzt sich heute wohl niemand mehr, wie ich es als Zwölfjähriger tat, am Hörspielabend schon eine Viertelstunde vor Beginn der Ausstrahlung ungeduldig vor das Radiogerät. (Es leuchtet am Radio ja auch kein geheimnisvolles grünes Licht mehr auf, wenn man es einschaltet.) Zugegeben, meine damalige Begeisterung für Hörspiele hatte auch eine Menge mit der Tatsache zu tun, dass wir Buben an diesem Abend – wenn ich mich recht erinnere, war es immer der Donnerstag – länger aufbleiben durften als sonst.
«Theater im Kopf»
Aber das war nicht das Entscheidende. Was mich damals so faszinierte, war die Tatsache, dass beim Hörspiel-Hören Bilder im Kopf entstehen. Ich hätte den Hügü-Vögeli (Erinnern Sie sich noch an ihn?) ganz genau beschreiben können – und er hätte ganz anders ausgesehen als der reale Jörg Schneider, der im «Polizischt Wäckerli» diese Rolle spielte.
Aber eben: das «Theater im Kopf» stellt sich nur ein, wenn man auch entsprechend zuhört. Wer sein Radio bloss als akustische Tapete benutzt, vor der sich die wirklich wichtigen Dinge wie Hemden-Bügeln oder Fingernägel-Schneiden abspielen, für den wird auch das beste Hörspiel immer nur in die Kategorie «Furniture» fallen.
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Ich meine ja nicht, dass man sich als Radiohörer jedes Mal eine symbolische Krawatte umbinden sollte, aber eine gewisse Konzentration braucht es eben doch, wenn es «Art» oder vielleicht sogar «Life» werden soll. Weil der Zuhörer eines Hörspiels, noch viel mehr als der Zuschauer eines Theaterstückes, immer ein Mitgestalter ist. Einer, der sich selber die Bilder erschafft, die ihm das Hörspiel nur suggerieren kann. Wer nur im Hintergrund etwas vor sich hin plätschern lassen will, dem empfehle ich einen Programmwechsel. Es gibt genügend Dudel-Dudel-Sender.
Durchs Zugfenster in eine andere Welt
Heute höre ich Hörspiele gern über Kopfhörer auf langen Zugfahrten. Da kann es dann schon mal vorkommen, dass ich nicht auf Anhieb verstehe, was dieser seltsam uniformierte Mann, der so fordernd die Hand ausstreckt, von mir will. Weil ich eben gerade im alten Griechenland bin oder im shakespearschen England. Und da haben Kondukteure nichts zu suchen.
Wenn diese Verzauberung gelingt, dann ist ein Hörspiel zum Leben erwacht. Und das ist, ganz egal, was mein Ansteckknopf sagt, die wahre Kunst.