Dass sich Gamedesigner und Autoren durchaus etwas zu sagen haben, hat diesen Sommer das internationale Literaturfestival Berlin und die Kölner Gamer-Messe Gamescom bewiesen.
Im Mittelpunkt eines Sonderprogrammes beider Veranstaltungen stand das Buch «New Level». Darin finden sich Entwürfe für Computerspiele, die – ohne Rücksicht auf die technische Realisierbarkeit – von zahlreichen Schriftstellerinnen und Schriftstellern geschrieben wurden. So entstand ein Dialog zwischen Autoren und Programmierern.
Wenn Ego-Shooter einen Roman inspirieren
Neben diesen literarisch entworfenen Spielen gibt es aber auch Literatur, die von Computerspielen beeinflusst wurde. Der Autor und Literaturjournalist Jan Drees, der ebenfalls eine Geschichte zum Sammelband «New Level» beigesteuert hat, nennt zwei Beispiele:
In «Galveston» beschreibt «True Detective»-Autor Nic Pizzolatto folgende Szene: Der Held betritt einen dunklen Raum und wird angeschossen. Danach heisst es: «Und die Dunkelheit färbte sich rot». Für Drees ist klar: Dieses Bild hat der Autor von Ego-Shooter-Games übernommen. Dort zeigt die Färbung des Bildschirms, wieviele Leben man noch hat. Wenn das Bild komplett rot ist, ist man tot.
In neueren Computerspielen kommen immer mehr «paralogische» Räume vor: Man muss etwa nach oben gehen, um unten anzukommen. Diese fantastischen Räume hat Jan Drees auch in «Schimmernder Dunst über CobyCounty» entdeckt, dem Roman von Ingeborg-Bachmann-Preisträger Leif Randt.
Sind Games auf die Literatur angewiesen?
Es tut sich für die Literatur ein völlig neues Inspirationsfeld auf. Aber funktioniert das auch umgekehrt? Haben es Computerspiele-Entwickler nötig, eine literarische «Inspirations-Spritze» zu bekommen?
In jedem Fall habe es schon immer Computerspiele gegeben, die Literatur adaptiert hätten, sagt Jan Drees. Zum Beispiel der Third-Person-Shooter «Spec Ops – The Line», der an Joseph Conrads «Herz der Finsternis» angelehnt ist. Oder der Ego-Shooter «BioShock», dessen Spielewelt auf der Philosophie der US-amerikanischen Autorin Ayn Rand basiert. Ebenfalls offensichtlich ist der Einfluss von Horror-Autoren wie H. P. Lovecraft oder Steven King auf das gesamte «Survival Horror»-Genre und dessen zahlreiche Spieletitel.
Weg aus der Schmuddelecke
Verbindungen zwischen Literatur und Games gibt es also häufiger, als man vielleicht anfänglich denkt. Aber erst langsam fängt man an, über diese Beziehungen zu sprechen. Das kommt daher, dass Computerspiele erst jetzt in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind. Immer mehr Menschen spielen, sogar das MoMA baut sich seit 2012 eine Sammlung von Video Games auf. Was früher den Ruf einer banalen Freizeitbeschäftigung hatte, ist heute salonfähig geworden.
Auch die Erzählformen der Computerspiele sind mittlerweile interessanter als zu Super-Mario-Zeiten. Dort waren die Games sehr einfach gestrickt, erklärt Jan Drees: «Eine Figur erlebte verschiedene Abenteuer – das hatten wir mit dem doppelten Kursus im Parzival oder Tristan schon längst alles gehabt!»
Die Gamer haben ihre eigenen kreativen Köpfe
Heute ist es für Literaten naheliegender und interessanter geworden, sich einen «Frischekick» aus den Computerspielen zu holen. Umgekehrt bleibt der Eindruck: Die Games-Kultur mit ihren eigenen kreativen Köpfen hat es nicht dringend nötig, sich auf die Literatur zu stützen.
Ob sich in Zukunft Game-Entwickler und Autoren zum neuen Traumpaar der Spielekultur mausern, ist offen. Die ersten, scheuen Annäherungsversuche sind jedenfalls gemacht.