Es ist ein Leben im Rausch: Ohne Unterlass erblicken Dietmar Daths Werke das Licht der Welt. Darunter Romane, Theaterstücke, Graphic Novels, Übersetzungen, Gedichte und nicht zuletzt hunderte vor allem feuilletonistische Veröffentlichungen in Anthologien, Magazinen und Zeitungen. Es ist, als erschreibe sich hier ein Autor eine eigene Welt, in der Pop und Politik, Wissenschaft und Philosophie zusammenkommen.
Schlaf, erzählte der 1970 im deutschen Rheinfelden geborene Autor bei Gelegenheit, spiele in so einem Leben nur eine untergeordnete Rolle. Ein Leben, das den einstigen Macher des Musikmagazins «Spex» von den Rändern des Kulturbetriebs schliesslich als Feuilletonist der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und Autor des Suhrkamp Verlags ins Herz des Bildungsbürgertums führt.
Eine Position des «Weder-Noch»
Es ist die Jagd nach dem «Vorläufigen», die sich dabei durch Daths Arbeiten wie ein roter Faden zieht. Typisch, schliesslich ist im Pop nichts so hinfällig wie die Mode von gestern. Gleich, ob Dath Spuren des Christentums und des Hexenwesens in der Heavy-Metal-Musik sucht, den Physiker Paul Dirac als bahnbrechenden Forscher der Moderne würdigt oder sich eben dem Hörspiel hingibt, wie in seiner jüngsten Arbeit «Silber gegen Ende» für das Schweizer Radio und Fernsehen.
«Ich glaube», sagt Dath, «dass in ganz bestimmten Feldern wie Musik, Philosophie und Kunst uns diese Position des ‹Weder-Noch› interessieren muss.» Eine Position, die in der zeitgenössischen Popmusik wenige so ausfüllen wie das Kammerflimmer Kollektief. Führte die Karlsruher Formation doch in den letzten Jahren mit ihrer Mischung aus klassischem Jazz und Elektronika die Kunst des Weglassens zur Meisterschaft.
Geschwister im Geiste
«Das Kammerflimmer Kollektief», erklärt denn auch die Formation rund um den Gründer und Gitarristen Thomas Weber, «macht Musik, die man nicht aufschreiben sollte, weil sonst das Papier verbrennt». Dietmar Dath fand in ihnen Geschwister im Geiste. Diese Kollaboration ist indes nicht neu: Bereits für «Cicadidae», diesem ätherischen Meisterwerk aus dem Jahre 2003, schrieb Dath die Liner Notes.
Darin beschreibt er die zehn Stücke, die Namen wie «Sie tranken Regen», «Irgendwann: Frühling» oder «...denn die Nacht ist jetzt schon bald!» tragen, poetisch als ein Werk «mit langen Augenbrauen und schön gezeichneten Wimpern, aufrechten Ganges, von besten Haltungsnoten an ihren Ohrringen kaum heruntergezogen».
Der Markt mit seinen Widersprüchen
Schon in seinem Begleittext «Cicadidae» reibt Dath sich am alles durchdringenden «Markt» und erzählt vom «verschwiegensten Silber, das lieber doch kein Geld hat werden wollen». Elf Jahre später knöpft Daht sich nun mit dem Kammerflimmer Kollektief alias The Schwarzenbach erneut den Markt mit seinen Widersprüchen vor. Den niemals schweigenden Internetkonzernen und seinen Nutzern ruft er dabei in «Silber gegen Ende» zu: «Handy wird Silber; E-Mail wird Gold; Wissen wird Google; So habt ihr's gewollt.»
«Der Markt», sagt Dietmar Dath, «ist die Wand, entlang der die Kunst sich durch die Nacht tastet, die uns umgibt.» Welche Aufgabe Dath dabei für sich sieht, offenbart er, als er von Paul Dirac schwärmt: «Ein Leben zu führen, das knallt, das Neuigkeiten produziert, die es wert sind, gelebt zu werden.»