«Der beste Prophet der Zukunft ist die Vergangenheit.» Dieses Zitat des englischen Dichters Lord Byron trifft auf den Roman von Lea Gafner zu. «Die Nonne tanzt» heisst das Erstlingswerk der jungen Geschichtsstudentin und Absolventin einer evangelischen Mittelschule.
Schon lange verspürte die Studentin, die mit dem Zürcher Theologiepreis ausgezeichnet wurde, den Wunsch, eine historische Erzählung zu schreiben. Diese Geschichte war ursprünglich lediglich eine Maturaarbeit und hat sich dann zum Roman gemausert.
Glaubensumbruch gestern und heute
Im Zentrum steht die Schweizer Reformation im Jahre 1523. Lea Gafner bezweifelt nicht, dass dieses Jahrhundert in geschichtlicher Hinsicht mit dem aktuellen Zeitalter vergleichbar ist: «Die Reformation war mit einem starken Glaubensumbruch verbunden, mit dem Kampf zwischen Protestanten und Katholiken. Ähnliche Veränderungen, direkte Glaubensauslegungen und Spaltungen zwischen den Völkern existieren heute nach wie vor, wenn man beispielsweise an die Aufbruchstimmung in der arabischen Welt denkt», sagt sie.
Es stellt sich die Frage, weshalb sich eine 19-Jährige spezifisch mit dieser vergangenen Epoche befasst? Sie habe versucht herauszufinden, inwiefern sich besagter Umbruch auf das Leben der Romanfiguren ausgewirkt hat. Zum Beispiel auf das Leben der Priorin des Klosters Königsfelden Windisch, die sich in einen Mönch verliebt. «Da meine Protagonisten in einem Kloster nahe Zürich lebten, waren die Einflüsse der Reformation stark spürbar. Jede einzelne Person musste sich entscheiden, ob sie sich der Glaubensänderung anschliessen wollte oder nicht.»
Reformation als Orientierungshilfe
Die Reformation begann in der Schweiz als religiöse Erneuerungsbewegung und endete in einer tiefen politischen Spaltung zwischen den Städten und den ländlichen Gegenden. Der Kampf gegen alles «Nichtbiblische», unter anderem die Verehrung von Reliquien, prägte diese Zeit. «Als ich für mein Buch zu recherchieren begann, konzentrierte ich mich auf den historischen Stoff, doch bald realisierte ich, welch zentralen Platz die theologische Diskussion im Leben der Menschen tatsächlich einnahm.»
Lea Gafner hat dabei festgestellt, dass viele Menschen ihrer Generation bei religiösen Fragen oft nicht wirklich wissen, woran sie glauben sollen. Deshalb suchen sie nach verschiedenen Zugängen. Dabei, meint Gafner, könnten die Überlegungen von damals vielleicht auch als Orientierungshilfe dienen.
Auch Lea Gafner selbst begann sich stärker mit dem katholischen Glauben auseinanderzusetzen. Ihr gefallen besonders Erinnerungsstücke wie Bilder und Kreuzzeichen – Zeichen des Glaubens, die eben von Reformatoren wie Huldrych Zwingli aus der Glaubenspraxis verbannt worden sind. «Genau diese Zeichen vermitteln auch innere Sicherheit, während der reformierte Glaube den Vorteil mit sich bringt, dass man mehr dazu eingeladen ist, Vorgänge zu hinterfragen.»