«Bim Schriben isch es wie bim Schutte: Wenn i e Louf ha, denn isch es e Freud. Aber bis es emol sowit isch…» Der Vergleich ist typisch für den Solothurner Schriftsteller Ernst Burren: Literarisches Schreiben und Fussball schauen, das sind seine beiden grössten Leidenschaften. Das führt bei ihm folgerichtig zu Sätzen wie: «Der Messi isch für mi dr Tschechow vom Schutte.»
Innere Monologe als Markenzeichen
Er ist der dienstälteste und beharrlichste Mundartautor der Schweiz. 1970 erschien sein erster Gedichtband «derfür u derwider». Es folgten auch längere Erzählungen und Hörspiele. Meistens aber und seit rund 10 Jahren ausschliesslich schreibt Burren seine typischen, kurzen inneren Monologe.
Diese inneren Monologe sind manchmal Schläge in die Magengrube des Lesenden, meistens traurig, fast immer überraschend. Wir lesen aus dem Inneren von einsamen Dörflerinnen und Dörflern heraus. Polterer und Lästerer sind Burrens Figuren. Menschen, denen das Leben übel mitspielt oder die anderen Menschen übel mitspielen.
Er sagt, was andere denken
Böser Dorfklatsch, Unglücke und Verbrechen füllen Burrens Geschichten, das ganze Repertoire einer von Globalisierung und Wertezerfall verunsicherten Landbevölkerung. Warum sind seine Figuren trotzdem auf eine rührende Art sympathisch?
«Mini Figure säge das, wo die meischte Lütt nume dänke, aber nie würden usspräche.» Das ist ein Kernpunkt: Jede und jeder trägt eine Burrenfigur mit sich herum. Ein zweiter Punkt ist Burrens Humor, der vom Wortwitz lebt, oft auch von der Tragikomik, von der Realsatire.
Lachen und schämen
Beim Thema selbstbestimmtes Sterben etwa. In der Geschichte «direttissima» aus dem neuen Buch erzählt ein Getränkehändler, eine Frau habe ihn aufgefordert, er solle die leeren Harassen holen, in zwei Tagen komme einer von Exit vorbei, danach sei sie nicht mehr da. Burren: «Das het mir mi Getränkehändler chürzlich genau so verzellt.» Er zeigt aus dem Fenster: «Dört i dämm Huus isch Exit vor zwe Wuche gsii.»
Furztrockener Pragmatismus, bei ihm wie bei seinen Figuren. Und der Schwester der sterbewilligen Lea in seiner Geschichte ist es «furchtbar zwider dass die lea um z töde nümme wott witerläbe.» Wir dürfen lachen. Obwohl: Kürzlich habe ihm eine Frau gesagt, sie habe sich geschämt, dass sie beim Lesen so viel lachen musste.
Anfangs eckte er an
Ende der 60er Jahre: Burren arbeitete schon damals als Primarlehrer, erlebte er in Bern einen magischen literarischen Abend mit Kurt Marti und Ernst Eggimann, den beiden Pionieren der schweizerischen «modern mundart»-Bewegung. Fern aller Bluemete-Trogli-Lyrik experimentierten die beiden mit Sprache und gingen mit der Heimat kritisch-distanziert um. Burren war so begeistert, dass er in derselben Nacht ein Heft voll solcher Gedichte schrieb.
Schon mit seinem zweiten Buch, «Scho wider Sunndig» (1971), fand er seinen unverwechselbar eigenen Stil des inneren Monologs. Er eckte an damit. «Das isch jo nume Material, das isch doch no nüt», meinten Lehrerkollegen.
Lieber Champions League als Literaturlesungen
Damals glaubte Burren, mit Literatur Menschen beeinflussen zu können. Heute habe er oft das Gefühl, «es sig äue doch aus vergäbe.» Aber dann tröstet er sich damit, wie stark die Literatur sein eigenes Bewusstsein verändert habe. Heute, mit 70 Jahren, ist Burren der Meinung, er habe alles geschrieben. Auch das Herumreisen für Lesungen reize ihn gar nicht mehr. Lieber bleibe er zu Hause und schaue Champions League. Sagt‘s und bricht in schallendes Gelächter aus.
Keine neuen Geschichten mehr in der Schublade? Nein, «No einisch uf d Maledive» sei sein 26. und letztes Buch. Das haben Sie mir aber vor zwei Jahren schon gesagt, als «Dr Troum vo Paris» publiziert wurde. Schallendes Gelächter als Antwort. Wer weiss schon, wann einem der nächste Lauf packt, «wie bim Schutte»?
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur aktuell, 20.11.2014, 17.10 Uhr