Holger Ehling, das oberste US-Gericht hat entschieden, dass Google weiterhin Bücher digitalisieren darf. Ist der Streit zwischen Google und der Autorenvereinigung in den USA damit erledigt?
Ja. Der Supreme Court hat sich geweigert, die Beschwerde der Autoren überhaupt anzuhören. Denn es gab schon in Vorinstanzen sehr eindeutige Entscheide zugunsten von Google. Die Begründung: Das öffentliche Interesse an der Zugänglichmachung von Büchern, die im Handel nicht mehr verfügbar sind, überwiegt gegenüber dem kommerziellen Interesse von Verlagen und Autoren.
Welche Auswirkungen hat das konkret für Autoren und Verlage?
Sie müssen nun hinnehmen, dass ihre Bücher digitalisiert und zum Kauf im Netz angeboten werden, ohne dass sie darauf Einfluss nehmen können. Die Entlohnung, die ihnen dafür zusteht und die Google angekündigt hat, ist bisher nicht geklärt. Es dürfte sich aber um sehr kleine Beträge handeln, die mit üblichen Autorenhonoraren nicht zu vergleichen sind.
Ein konkretes Beispiel?
Nehmen Sie an, Sie haben vor 20 Jahren ein Buch geschrieben, das nach 10 Jahren im Verkauf nicht mehr aufgelegt worden ist. Bisher war es immer so, dass bei einer Neuauflage dem Autor dafür ein Honorar zugestanden wird. Das ist jetzt mit der Digitalisierung entfallen: Im digitalen Bereich gibt es das Konzept der Neuauflage nicht, sondern nur die Verfügbarkeit für alle Zeit.
Ist dieser Entscheid in den USA auch relevant für die Schweiz und andere Länder?
Ja. Die US-Gerichte behalten sich immer vor, dass ihre Entscheide weltweit Wirkung haben. Und Google wird sich bei allfälligen Klagen in Europa – sei es in der Schweiz oder vor dem europäischen Gerichtshof – darauf berufen, dass sie ein US-amerikanisches Unternehmen sind und der Streit in den USA beigelegt wurde. Da wird man wenig Handhabe haben, dagegen vorzugehen.
Gleichzeitig schlägt das auch die Richtung ein, die wir in Europa sehen: Auch hier fallen die sogenannten Urheberrechts-Schranken immer dichter, die Gerichte gehen immer weiter mit ihrer Erlaubnis zur kostenlosen Nutzung von Urheberrechten.
Können Sie dies anhand eines Beispiels erläutern?
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Der Bundesgerichtshof in Deutschland hat entschieden, dass wissenschaftliche Werke an universitären Bibliotheken praktisch unbegrenzt digital kopiert und verteilt werden dürfen.
Bisher war es auch in der Schweiz immer so: Eine Bibliothek kauft ein Buch und das wird ein Mal zur Verfügung gestellt. Wenn ein Student es lesen will, muss er sich anstellen, bis das Buch verfügbar ist. Jetzt wird ein Buch gekauft, hundertmal kopiert, hundertmal zur Verfügung gestellt und der Verlag und der Autor bekommen einmal Honorar. Das wurde für rechtens erklärt, weil es um das öffentliche Interesse in Wissenschaft und Forschung geht.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 19.4.2016, 17:10 Uhr