«Für eine Anekdote braucht man drei Dinge: eine Pointe, einen Erzähler und Menschlichkeit», besagt ein Zitat von Mark Twain. Im neuen Roman von Joachim Meyerhoff finden diese drei Zutaten zu ihrer Vollendung.
Irre, Blödies und Spackos
Mit liebevollem Witz, kindlichem Charme und in einer Sprache, die Unmittelbarkeit erzeugt, schildert Joachim Meyerhoff seine Kindheitsjahre mitten unter «Idioten, Irren, Verrückten, Dödies, Blödies, Spackos, Spasties, Psychos, Mongos, Deppen, Debilen, Trotteln und Hirnies», wie seine Brüder und er die Insassen der psychiatrischen Klinik harsch nennen – vielleicht auch, um sich von ihnen abzugrenzen. Denn ganz so klar ist manchmal nicht, wer normal und wer eigentlich verrückt ist. Vater Meyerhoff ist nämlich Direktor der Kinder- und Jugendpsychiatrie Hesterberg im norddeutschen Schleswig. Und die Familie lebt in der Direktorenvilla, die mitten auf dem Anstaltsgelände steht.
Trauer und Komik liegen nah beieinander
In «Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war» schildert Joachim Meyerhoff seine besondere Beziehung zu den Insassen der Klinik, er beschreibt die Idylle seiner Kindheit, die – der Titel lässt es erahnen – mit zunehmendem Alter immer mehr Risse bekommt, er erzählt von lustigen und traurigen Ereignissen aus seiner Kindheit und Jugend – und wie nah diese oft beieinander liegen.
Doch der Roman ist weit mehr als eine Sammlung guter Anekdoten: Er ist ein Buch über die Kraft der Erinnerung, über das enge Nebeneinander von Trauer und Komik, über den eigenen Freiheitsdrang und die eigenen Grenzen. Und darüber, dass auch die «normale» Welt ein Irrenhaus ist bzw. dass auch ausserhalb der Welt der «Irren» nicht alles in Ordnung ist.
Den Verstorbenen gewidmet
Joachim Meyerhoff überschreitet gern Grenzen, das zeigt sich auch, wenn man ihn als Theater-Schauspieler erlebt. Zuletzt war er im Zürcher Schauspielhaus in «Sturm» von William Shakespeare als Luftgeist Ariel zu sehen, ein Ariel, der immer wieder die Züge eines Verrückten annahm…
Sendungen zum Thema
«Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war» ist der zweite Teil von Meyerhoffs literarischem Grossprojekt «Alle Toten fliegen hoch», das er ursprünglich als Theater-Performance ins Leben gerufen hatte. Im ersten Teil mit dem Titel «Amerika» beschreibt er den Verlust seines Bruders, und nun, im zweiten Teil, den Krebs-Tod seines Vaters. Meyerhoff selbst bezeichnet diese literarische Verarbeitung als seine Antwort auf den Tod eines geliebten Menschen. Zwei weitere Romane, die ebenfalls ihm nahestehenden Verstorbenen gewidmet sind, sollen noch folgen.
Unterhaltsam und vielschichtig
Meyerhoff ist ein Popstar, in der zeitgenössischen deutschen Literatur wie auch im Theater. Sein Roman zeigt jedoch, dass diese Zuschreibung ihm bei weitem nicht gerecht wird. Dass er höchst unterhaltsam schreibt, sollte nicht davon ablenken, wie tiefsinnig und vielschichtig dieser Roman ist.